Der Zeitpunkt könnte für die Roten in Wien nicht ungünstiger sein. Wenige Wochen vor den Gemeinderatswahlen bahnt sich ein Riesenskandal an. Und es betrifft ausgerechnet das Wohnen. Der zuständige Stadtrat, Michael Ludwig (SPÖ), wollte die Bevölkerung mit der Ankündigung zur Urne locken, dass österreichische Staatsbürger bei der Vergabe von Gemeindewohnungen vorgereiht würden. Aber wer will wirklich in einem Gemeindebau wohnen – seit bekannt wurde, wie die Mieter des Hugo-Breitner-Hofs in Wien-Penzing von ihrer Hausverwaltung, Wiener Wohnen, möglicherweise "betrogen" werden, ist die Empörung sowohl bei Alt- als auch bei Neumietern groß. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Aufzugskosten ohne Lift
Aufdecker der angeblichen Riesensauerei sind zwei Mitglieder des Mieterbeirats. Ernst Schreiber, pensionierter Bilanzbuchhalter, und Gerhard Kuchta, dienstfrei gestellter Innenrevisor einer Bank, kamen dahinter, dass mehr als tausend Quadratmeter Wohnfläche jahrzehntelang zum Nachteil der Mieter verrechnet wurden. Nicht nur das: So gebe es – wie dossier.at berichtet – auch ein Grundstück, das mit verrechnet wurde, obwohl es gar nicht zur Wohnhausanlage gehört. Oder Aufzugskosten, die Mietern in der Anlage in Rechnung gestellt worden seien, obwohl es in deren Haus gar keinen Lift gibt. Außerdem sollen 20.000 Quadratmeter Grünfläche zu viel bemessen und abgerechnet worden sein.
Mehrere Millionen Streitwert
„Es stimmt hinten und vorne nichts“, sagt Kuchta gegenüber dossier.at. Seit der Jahresabrechnung 2004 reklamieren die beiden Mieter falsch verrechnete Betriebskosten bei Wiener Wohnen. Manchmal sind es kleine Beträge, etwa 43,96 Euro für die Reparatur eines defekten Kellerlichts, in anderen Einzelfällen geht es um beträchtliche Summen wie 11.109,42 Euro aus einer nicht korrekten Rechnung für die Gartenbetreuung. Insgesamt beläuft sich der Streitwert in offenen Verfahren der Mieter gegen ihre Hausverwaltung auf mehrere Millionen Euro. Knapp 300.000 Euro haben sie für sich und die anderen Mieter ihres Hofes bisher schon erfolgreich zurückerstritten.
Keine Stellungnahme von Ludwig
Wie der Privatsender ATV am Sonntag berichtete, hat der Mieterbeirat Anzeige bei der Wiener Staatsanwaltschaft erstattet. Mit politischen und strafrechtlichen Konsequenzen ist zu rechnen. Auf Anfrage von ATV war Wohnbaustadtrat Michael Ludwig zu keiner Stellungnahme bereit, da es sich um ein laufendes Verfahren handle. Die größte Hausverwaltung Europas, die rund 220.000 Wohnungen betreut, gerät einmal mehr in Bedrängnis. Der Hugo-Breitner-Hof ist vielleicht nur der Anfang einer ganzen Prozesswelle – man mag sich gar nicht ausmalen, um welche Summen es bei falschen Abrechnungen in ganz Wien ginge, wenn es sich schon bei einem Gemeindebau um einen angeblichen Millionenschaden für die Mieter handelt.