Unzensuriert.at hat kürzlich über einen Vater berichtet, dem das Finanzamt zu Unrecht den Familienbonus Plus für das Jahr 2019 verweigert hat. Weil er der falschen Auskunft des Finanzamts glaubte, beantragte er die Leistung für 2020 und 2021 nicht, womit ihm 4.250 Euro entgangen sind.
Wie kam es zum Auslöser?
Bei genanntem Fall geht es um grenzüberschreitende Sachverhalte mit Deutschland. In der Regel: Vater in Österreich wohnhaft und erwerbstätig, Kind in Deutschland mit der geschiedenen oder getrenntlebenden Mutter wohnhaft.
Der Mutter steht das deutsche Kindergeld zu, das gleichartig zur österreichischen Familienbeihilfe ist. Sie bekommt das Kindergeld in voller Höhe, wenn sie erwerbstätig ist. Österreich muss dann seine Familienbeihilfe nicht bezahlen, da sie niedriger ist als die deutsche Leistung. Arbeitet die Mutter nicht, muss Österreich seine Familienbeihilfe in voller Höhe bezahlen und Deutschland eine Differenzzahlung.
Unionsrecht eindeutig
Wie auch immer die Konstellation ist, dem in Österreich lebenden Elternteil steht laut den klaren Regeln des Unionsrechts der Familienbonus Plus zu. Zuständig sind die Koordinierungsverordnungen 883/2004 und 987/2009, über die Unzensurier.at immer wieder berichtet hat. Und dennoch haben die Finanzämter über die Jahre in zahlreichen Fällen falsch entschieden. Es folgten Beschwerden beim Bundesfinanzgericht, das auch noch uneinheitlich entschieden hatte. Nur wenige Väter brachten auch eine Revision ein, wobei auch die Finanzverwaltung Entscheidungen des Bundesfinanzgericht nicht akzeptierte – natürlich dann, wenn ausgesprochen wurde, dass der Familienbonus Plus zu zahlen ist.
Erst seit April 2022 höchstgerichtliche Klarheit
Auf eine Medienanfrage hieß es vom Finanzamt, dass es erst aufgrund der höchstgerichtlichen Rechtsprechung Ra 2021/15/0067-3 Klarheit gäbe. Dieser Fall zog sich über Jahre, was überhaupt nicht notwendig gewesen wäre. Auch hier ging es um einen Vater, wohnhaft in Österreich, während seine geschiedene Frau und der Sohn in Deutschland ihren Aufenthalt hatten. Der Vater hat auch einen Sohn in Österreich. Wesentlich war in dieser Streitfrage nur folgendes Detail. Der Vater war zwar erwerbstätig, allerdings als Grenzgänger in Deutschland, womit er dort Sozialversicherungsbeiträge bezahlte. Allerdings sieht das Doppelbesteuerungsabkommen Österreichs mit Deutschland vor, dass in solch einer Konstellation die Steuern in Österreich zu entrichten sind. Damit gab es für den Familienbonus Plus wieder einen Anknüpfungspunkt.
Die Streitfrage der Familienbeihilfe wiederum ist aber in allen Fällen identisch. Nämlich, ob für die Väter in Österreich dem Grunde nach ein Anspruch bestünde, da der Leistung der Mutter zustehe. Auch war fraglich, ob der Anspruch dem Grunde nach besteht, wenn Österreich keinen Cent an Familienbeihilfe bezahlen musste, da die deutsche Leistung höher ist. Und dann waren noch offene Fragen beim Unterhaltsabsetzbetrag, der subsidiär einen Anspruch auf den Familienbonus Plus begründet.
Wertvolle Zeit durch Rechtsgang verstrichen
Alles Fragen, die sich leicht mit den Regeln des Unionsrechts beantworten lassen. Dennoch verschwendete das Finanzamt wertvolle Zeit, in dem es den Instanzenzug voll ausschöpfte. Jener Vater in Ra 2021/15/0067-3 machte am 8. Mai 2020 via Finanzonline seine Arbeitnehmerveranlagung für 2019. Da der Familienbonus Plus für das in Deutschland wohnhafte Kind nicht anerkannt wurde, bestritt der Vater den Rechtsweg bis zum Bundesfinanzgericht, das ihm am 4. Mai 2021 recht gab. Aber das Finanzamt gab keine Ruhe, meinte, dass keine höchstgerichtliche Rechtsprechung existiere und brachte Revision ein. Fast ein Jahr später, dem 6. April 2022 wurde vom Verwaltungsgerichtshof die Revision unbegründet abgewiesen.
Rückwirkende Nachzahlung kaum möglich
Es hat Jahre gedauert, bis es eine Klärung gab. Bis dahin haben Finanzverwaltung und Bundesfinanzgericht vielen Personen den Familienbonus zu Unrecht versagt und sie haben nicht einmal die Möglichkeit im Nachhinein das Geld einzufordern.
Vom Finanzamt heißt es nämlich:
§ 299 BAO gestattet Aufhebungen, wenn der Bescheid sich als nicht richtig erweist. Die gilt auch für „dynamische“, also erst später erweisliche Unrichtigkeiten (vgl zB UFS 25.3.2009, RV/0201/F/08; 29.6.2010, RV/0299-F/08; BFG 26.11.2015, RV/1100428/2012), wie etwa das hier gegenständliche VwGH-Erkenntnis vom 6. April 2022, Ra 2021/15/0067. Aus § 302 Abs 2 lit b (iVm Abs 1) ergibt sich, dass der Antrag vor Ablauf eines Jahres ab Bekanntgabe (idR Zustellung) des aufzuhebenden Bescheides einzubringen ist.
Was heißt das in der Praxis?
Jener Vater, dem 4.250 Euro entgangen sind, kann mit etwas Glück noch 1.500 Euro retten. Er müsste eine Bescheidaufhebung für das Jahr 2021 einbringen. Eine solche Maßnahme ist möglich, wenn ab Bescheidzustellung der Einkommenssteuererklärung die Frist von einem Jahr nicht verstrichen ist. Bedanken dürfen sich die betroffenen Bürger bei den sachunkundigen Mitarbeitern der Finanzverwaltung, die einfache Gesetze im Unionsrecht nicht angewendet haben und sogar jahrelang bis zum Höchstgericht prozessierten.