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Identitäre Bewegung

Der Versuch, die Identitären (im Bild bei einer friedlichen Demonstration) vor Gericht zu kriminalisieren, scheiterte schon im Vorjahr bei einem Prozess in Graz und in zweiter Instanz heuer.

9. September 2019 / 17:54 Uhr

ÖVP will Identitäre verbieten: Schwarze Gesinnungsdiktatur größer als bei den Roten

Im plumpen Wahlkampf der ÖVP zeigt die türkise Kurz-Bewegung ihr wahres Gesicht. Offensichtlich weit weg von direkter Demokratie schwebt den Schwarzen laut Medienberichten eine Gesinnungsdiktatur vor.

Kindern vorschreiben, was sie wählen sollen

ÖVP-Klubobmann August Wöginger macht daraus auch kein Hehl, wie der Standard heute, Montag, aus einer Wöginger-Rede bei der Rieder Messe zitiert:

Es kann ja nicht sein, dass unsere Kinder nach Wean fahren und als Grüne zurückkommen. Wer in unserem Hause schlaft und isst, hat auch die Volkspartei zu wählen.

Van der Bellen: Würde mir das dreimal überlegen

Nicht weit von dieser Gesinnung entfernt greift Sebastian Kurz in die Grundrechte ein und will den Verein der Identitären verbieten. Selbst Bundespräsident Alexander Van der Bellen kommt da ins Schwitzen und sagte:

Das würde ich mir dreimal überlegen. Die Auflösung eines Vereins ist eine juristisch sehr heikle Angelegenheit.

Verletzung der Menschenrechtskonvention

Und vom derzeitigen Justizminister Clemens Jabloner, dem man sogar eine politische Nähe zu Kurz attestieren würde, bekommt der Ex-Kanzler zu hören, er würde damit die Europäische Menschenrechtskonvention, die Kurz ja immer so heilig war, verletzen. Jabloner zur Idee von Kurz, die Identitäten aufzulösen:

Ich bin prinzipiell der Meinung, dass man die Grundrechte auch dort nicht einschränken soll, wo es um zutiefst unsympathische Gruppen geht wie die Identitären. Und ich sehe auf den ersten Blick diesseits des Strafgesetzbuchs wenig Raum für eine Umschreibung eines Vereinsverbotes, das der Europäischen Menschenrechtskonvention entspräche.

Eingriff in Vereinsfreiheit ein Grundrechtseingriff

FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer hat die ÖVP schon früh davor gewarnt, einen solchen Schritt zu gehen. Nun bekräftigte er seine Haltung, indem er sich der Argumentation des Bundespräsidenten und des Justizministers inhaltlich anschloss.

Der FPÖ-Chef betonte, dass im Vereinsgesetz schon jetzt festgehalten sei, dass Vereine aufgelöst werden können, wenn gegen Strafgesetze verstoßen und der statutenmäßige Wirkungskreis überschritten wird. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Expertise des Vereinsrechtsexperten Maximilian Kralik verwiesen. Dieser sieht eine Auflösung als „unwahrscheinlich“. Die Vereinsfreiheit sei in der europäischen Menschenrechtskonvention verankert, die in Österreich im Verfassungsrang stehe. Daher sei jeder Eingriff in die Vereinigungsfreiheit auch gleichzeitig ein Grundrechtseingriff. Selbst der Wiener SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig sprach sich heute, Montag, gegen solche Vereinsverbote aus.

Identitäre vor Gericht in zwei Instanzen freigesprochen

Ganz abgesehen fiel der Versuch der Staatsanwaltschaft Graz, den Identitären wegen Bildung einer kriminellen Organisation sowie der Verbreitung radikaler, fremden- und islamfeindlicher Propaganda den Prozess zu machen, kläglich ins Wasser: Die angeklagten 17 teils führenden Mitglieder bzw. Sympathisanten des Vereines wurden vor Gericht im Juli des Vorjahres in erster und im heurigen Jänner auch in zweiter Instanz freigesprochen.

Hofer: “Keine kopflosen Entscheidungen treffen”

Es wäre hoch an der Zeit, trotz der Wirren des Wahlkampfes mit Augenmaß und Vernunft und im Sinne der Verantwortung der Verfassung, auf die wir als Politiker alle angelobt sind, richtige und nicht kopflose Entscheidungen zu treffen, so Hofer, der zudem meinte:

Meine Haltung zu den Identitären ist mehr als bekannt. Trotzdem warne ich vor einer Gesinnungsdiktatur. Sollte die ÖVP die Menschenrechtkonvention ignorieren und trotzdem ein Verbot beschließen wollen, so wären in weiterer Folge unzählige Vereine, die ich gar nicht länger nennen möchte, von einer derart überschießenden Maßnahme betroffen.

Freispruch am Grazer Landesgericht

Abgesehen von der Verbotsdiskussion, die von der ÖVP vom Zaun gebrochen wurde, um in der Bevölkerung billige Sympathiepunkte zu sammeln, ist der Identitären Bewegung bis dato kein strafrechtliches Vergehen vorzuwerfen. Einzig die Spende des späteren Christchurch-Attentäters an Identitären-Chef Martin Sellner warf ein schlechtes Licht auf die Organisation, wenngleich Sellner beim besten Willen ja nicht wissen konnte, dass der Spender Monate später ein Attentat begehen würde. Sonst kann man nur von gewaltfreien Demos sprechen und von erwähntem Freispruch am Grazer Landesgericht.

Schlag in Bauch und gelbe Kreide auf der Straße

Die Presse berichtete damals:

Übrig geblieben sind nur zwei vergleichsweise untergeordnete Schuldsprüche: einmal, weil der Rektor der Uni Klagenfurt, Oliver Vitouch, bei einer IBÖ-Protestaktion unter dem Titel „Integration ist Lüge“ von einem IBÖ-Aktivisten einen Schlag in den Magen bekam. Und weil bei einer Anti-Zuwanderer-Aktion im weststeirischen Maria Lankowitz gelbe Kreide auf die Straße gesprüht wurde. Letzteres endete so: 240 Euro Geldstrafe wegen Sachbeschädigung. Die Sache mit dem Rektor war Körperverletzung und Nötigung: 720 Euro Geldstrafe.

Gelbe Kreide auf der Straße. Ein Schlag in die Magengrube. Die Polizei wäre heilfroh, würden die Ausschreitungen linker Gruppierungen bei den Kundgebungen gegen den Akademikerball in der Hofburg oder rechte Kongresse in Linz so glimpflich ausgehen. Aber da hat noch keiner nach einem Verbot dieser durchwegs gewaltbereiten Vereinigungen gerufen – auch Sebastian Kurz nicht.

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