Spaniens politische Landschaft befindet sich in offenem Umbruch. Was sich bereits bei den Parlamentswahlen 2015 und 2016 abgezeichnet hatte, wird durch die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens noch beschleunigt. Der Abschied der Katalanen kratzt zwar am Nationalstolz der Kastilier, würde für Spanien aber mehr Stabilität bedeuten.
Seit 1982 instabile politische Verhältnisse
Der derzeit stattfindende Umbruch könnte ein Ausmaß erreichen wie jener von 1982. Damals war durch den Aufstieg der Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) und der rechtskonservativen Volksallianz (AP) die Union des Demokratischen Zentrums (UCD), die christdemokratische und liberale Gruppen gesammelt und den Übergang von der Franco-Herrschaft zur parlamentarischen Demokratie vollzogen hatte, geradezu pulverisiert worden.
Seither war Spanien durch den Dualismus der beiden großen Parteien geprägt. Um die Herrschaft des PSOE (1982-1996) zu beenden, nahm die AP Ende der 1980er Jahre Reste des UCD auf, rückte Richtung Mitte und benannte sich in Partido Popular (PP) um.
Viele Regierungen abhängig vom Wohlwollen ethnischer Minderheiten
Mit Ausnahme von Felipe Gonzalez (PSOE) 1982, Jose Maria Aznar (PP) 2000 und Mariano Rajoy (PP) 2011, die vier Jahre lang mit absoluten Mehrheiten regierten, waren alle Regierungen auf die externe Unterstützung durch Vertreter der ethnischen Minderheiten angewiesen. Und sei es nur wegen einer Stimme, wie Gonzalez 1986, die von einem Abgeordneten der Kanaren kam. Dabei konnte es sein, dass rechte Katalanen und Basken eine Linksregierung unterstützten und linke Katalanen eine Rechtsregierung. Die Interessen ethnischer Minderheiten müssen nicht jenen des staatstragenden Volkes entsprechen, ebensowenig jene historischer Regionen denen des Hauptlandes.
Stabile Verhältnisse sehen anders aus
2008 brachte Jose Luis Rodriguez Zapatero (PSOE) gar keine Regierungsmehrheit zustande. Die spanische Verfassung ermöglicht in zweiter Abstimmung eine Minderheitsregierung, sofern nicht mehr Abgeordnete gegen als für die Regierung stimmen. Linke und rechte Abgeordnete der ethnischen Minderheiten und regionaler Parteien aus Katalonien, Valencia, Navarra, dem Baskenland Galicien und von den Kanarischen Inseln, keineswegs nur linke, duldeten Zapatero durch Stimmenthaltung.
Fast alle spanischen Regierungen seit 1982 waren von den Stimmen der ethnischen Minderheiten abhängig. Die Katalanen sind die größte und verfügen im spanischen Parlament über die meisten Sitze. Das hat damit zu tun, dass die Katalanen in ihrer großen Mehrheit katalonische Parteien wählen. Bei den jüngsten katalonischen Wahlen kamen PSOE und PP zusammen nur noch auf 18 Prozent. Rajoys PP wurde gar nur mit 4,2 Prozent abgestraft.
Ohne Katalonien, das 16 Prozent der spanischen Parlamentsmandate stellt, hätten seit 1982 immer klare Verhältnisse geherrscht.