Mehr als 1,1 Milliarden Euro an Kindergeld – so viel wie noch nie – floss letztes Jahr ins Ausland. FPÖ-Politikerin Rosa Ecker fordert nun ein Ende dieser Zahlungen.

5. Mai 2023 / 07:48 Uhr

Mehr als 1,1 Milliarden Euro an Kindergeld wanderte letztes Jahr ins Ausland

Mahr als 1,1 Milliarden Euro an Familienleistungen (konkret 1.110.577.826,93 Euro) hat Österreich im Jahr 2022 an Familienleistungen für Kinder bezahlt, die nicht in Österreich wohnhaft sind. Eine Summe, die so hoch ist wie noch nie und die selbst Peter Westenthaler auf die Palme brachte. Der ehemalige Politiker hat bekanntlich jeden Mittwoch auf oe24.at seine TV-Diskussion mit Josef Cap samt Moderation von Wolfgang Fellner oder bzw. seinem Sohn Nikolaus.

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Vom Sessel gehaut

Und ab der 63. Minute meinte Westenthaler, dass es ihm bei diesen hohen Zahlungen „vom Sessel gehaut“ habe, als er die parlamentarische Antwort gelesen hat. Cap wiederum meinte, dass man solche Kinder, die nicht in Österreich wohnhaft sind, aber etwa ein Elternteil als Pflegekraft in Österreich arbeitet, nicht bestrafen sollte. Diesbezüglich hätte es Versuche gegeben, was aber vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nicht gehalten habe. Beide Argumente sind falsch.

Jeder Staat hat Familienleistungen

Kinder, die nicht in Österreich wohnhaft sind, werden insofern nicht bestraft, da jeder Staat im EU-Raum Familienleistungen hat. Die EU-Kommission hat sogar eigene Seiten, auf denen alle Leistungen beschrieben werden. Die meisten Staaten haben jedoch nicht so hohe Familienleistungen wie Österreich. Jedoch würden alle Kinder, die in einem Staat wohnen, gleich behandelt.

EuGH kippte Indexierung – komplette Streichung war nie Thema

Es gab zwar Versuche in der damaligen Regierungszeit von FPÖ und ÖVP, bei der Familienbeihilfe und anderen Leistungen das Geld nach der Kaufkraft des jeweiligen Landes anzupassen (Indexierung), was vor dem EuGH nicht gehalten hat. Allerdings wurde die Frage, generell Familien von Kindern, die nicht in Österreich wohnhaft sind, keine einzigen Cent an Familienleistungen zu bezahlen, vor dem EuGH nie geklärt. Und Österreich würde mit hoher Wahrscheinlichkeit gewinnen.

Trotz Nachzahlung sind Kosten explodiert

Aber zuerst der Reihe nach. „Aufdeckerin“ der Zahlen ist FPÖ-Politikerin Rosa Ecker, die eine parlamentarische Anfrage eingebracht hat. Wenngleich 337 Millionen Euro aufgrund der Nachzahlung von Familienleistungen notwendig wurden, weil der EuGH die Indexierung der Familienleistungen gekippt hatte, so ist der Restbetrag von mehr als 800.000 Euro weitaus höher als das, was Österreich in der Vergangenheit gezahlt hat. Denn im Jahr 2018 (vor der Indexierung) waren knapp 330 Millionen Euro fällig gewesen, was bedeutet, dass sich die Kosten mittlerweile mehr als verdoppelt haben.

Volle Höhe vs. Differenzzahlung

Für mehr als 220.000 Kinder wurden entweder die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag in voller Höhe oder als Differenzzahlung überwiesen. 2018 waren es rund 133.00 Kinder. Von den 80.000 Kindern, für die aktuell die Familienleistungen in voller Höhe bezahlt wurden, gibt es übrigens 31.000 Kinder, bei denen der Staat nicht ermittelbar ist. Vorrangig und damit die Familienleistungen in voller Höhe muss Österreich dann bezahlen, wenn ein Elternteil in Österreich erwerbstätig ist, während der andere Elternteil generell keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Würde der andere Elternteil im Wohnstaat des Kindes erwerbstätig sein, dann ist dieser Staat vorrangig zuständig und muss sein Kindergeld bezahlen. Ist dieses niedriger als die österreichische Leistung – was etwa bei Staaten wie Ungarn, Bulgarien, der Slowakei, Tschechien oder Rumänien der Fall ist – dann muss Österreich eine Differenzzahlung überweisen. Also seine Familienleistungen abzüglich des Geldes, dass der vorrangig zuständige Staat bezahlt hat.

Vergleich mit Ungarn

So gab es etwa aus Ungarn 14.567 Personen, die von Österreich die volle Höhe der Familienbeihilfe (70.373.460,15 Euro) samt Kinderabsetzbetrag (25.910.923,66) erhalten haben. Nachdem Ungarn als nachrangiger Staat niedrigere Familienleistungen hat als Österreich, musste der Staat für solche Fälle, bei denen eben die Kinder in Ungarn wohnhaft sind, keinen einzigen Cent bezahlen, während Österreich voll zur Kassa gebeten wurde. Jedoch gibt es 38.698 in Ungarn wohnhafte Kinder, für die Österreich nachrangig zuständig war. In diesem Fall musste Ungarn sein Geld in voller Höhe bezahlen. Da – wie bereits erwähnt – die ungarischen Familienleistungen niedriger sind als die österreichischen, durfte Österreich 151.487.444,84 Euro an Familienbeihilfe und 73.964.171,89 Euro an Kinderabsetzbetrag nach Ungarn überweisen. Somit flossen allein nach Ungarn rund 320 Millionen Euro, während sich Staatschef Viktor Orbán in Fäustchen lacht, weil er sich dank der EU Kosten in Millionenhöhe erspart, die er an ungarische Familien nicht bezahlen muss, während Österreich die Rechnung übernimmt.

Familienleistungen haben im EU-Recht nichts verloren

Verdanken ist das zwei EU-Verordnungen: Der VO 883/2004 samt ihrer Durchführungsverordnung 987/2009, die seit dem 1. Mai 2010 in Kraft sind. Zuvor gab es andere Verordnungen. Familienleistungen haben in diesen beiden Gesetzen aber faktisch nichts verloren. Denn die Regeln koordinieren in erster Linie Sozialversicherungsleistungen. Also Rentenansprüche, wenn eine Person in mehr als einem EU-Staat gearbeitet hat, Krankenversicherungsschutz, Leistungen bei Arbeitslosigkeit, Invalidität oder Unfall. Diese Leistungen haben alle gemeinsam, dass sich ein Anspruch erst begründet, wenn Sozialversicherungsbeiträge wie eben in die Pensionsversicherung, Krankenversicherung oder Arbeitslosenversicherung bezahlt werden.

Familienleistungen allerdings werden auch dann gewährt, wenn Eltern überhaupt keine Steuern oder Sozialversicherungsleistungen bezahlen. Deswegen haben Familienleistungen in diesen beiden EU-Verordnungen auch nichts verloren. Die aktuellen EU-Regeln führen sogar zu einer Ungleichbehandlung, da auf der einen Seite nicht erwerbstätige Eltern eine Familienleistung erhalten, während andere Eltern für die gleiche Leistung eine Erwerbstätigkeit vorweisen müssen. Würde der EuGH explizit mit dieser Fragenstellung befasst werden, müsste er die EU-Regeln als diskriminierend einstufen. Es wäre nicht das erste Mal. Etwa in der Rechtsache Pietro Pinna C-41/84.

FPÖ-Ecker fordert Ende von Kindergeldzahlungen ins Ausland

Die freiheitliche Nationalratsabgeordnete Ecker fordert daher die Streichung der Familienleistungen aus den EU-Verordnungen. „Jede Staat soll nur noch für jene Kinder zuständig sein, die auch in seinem Staat wohnhaft sind. Damit würde eine Diskriminierung im EU-Recht abgeschafft werden, während die Verwaltung aller staatlichen Behörden im Bereich der Familienleistungen entlastet würde und sich Staaten wie Österreich horrende Kosten ersparen. Mit diesen Geldgeschenken für im Ausland wohnhafte Kinder muss endlich Schluss sein!“

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