In einer Online-Umfrage der Kronen Zeitung halten 60 Prozent der Befragten vorgezogene Neuwahlen „für eine gute Idee“. Doch wie realistisch ist dieses Szenario? Nicht sehr, denn sowohl bei der ÖVP als auch bei den Grünen geht es um Macht, Geld und Posten.
Gegenseitigte Unfreundlichkeiten
Es vergeht kaum ein Tag, an dem sich die beiden Regierungspartner nicht gegenseitig Unfreundlichkeiten ausrichten.
Vonseiten der Grünen kam ein Faul von Gesundheitsminister Johannes Rauch, als er in aller Öffentlichkeit im Parlament seine Wunsch-Koalitionsvariante mit SPÖ, Grünen und Neos nannte. Die grüne Nationalratsabgeordnete Nina Tomaselli hielt sich im Parlament ebenfalls nicht zurück und warf der ÖVP Klientelpolitik vor. Dann legte sie auf „Twitter“ nach und meinte (im Original inklusive Rechtschreibfehler):
Die ÖVP stellt immer neue Gegenforderungen für eine Mietkostenbremse auf. Warum? Die ÖVP möchte ihre wohlhabende Klientel beschützen, das Schicksal der vielen MieterInnen, darf da nicht stören.
ÖVP hintergeht grüne Klima-Pläne
Auf der anderen Seite provoziert ÖVP-Kanzler Karl Nehammer die Grünen ständig, indem er freiheitliche Standpunkte übernimmt und diese zum Beispiel bei seiner „Rede zur Zukunft der Nation“ der Öffentlichkeit präsentierte.
Beispiel: „Ich werde gegen das Aus für den Verbrennungsmotor stimmen“. Zu allem Übel der Grünen kündigte Nehammer dann auch noch einen „Auto-Gipfel“ im Bundeskanzleramt an. Einen direkten Angriff auf die grüne Justizministerin Alma Zadic werteten Medien, als ÖVP-Verfassungsministerin Karoline Edtstadler ein Zitierverbot aus Strafakten forderte.
Bei Neuwahl würde ÖVP Millionen verlieren
Es ist nicht mehr zu verbergen: Zwischen ÖVP und Grünen kracht es gewaltig. Politik-Insider rechnen daher mit vorgezogenen Neuwahlen und bringen sogar schon den Herbst 2023 ins Spiel.
Gegen diese Scheidung in einer völlig zerrütteten Ehe sprechen aber Macht, Geld und Posten. Die ÖVP mit mehr als 37 Prozent aus der letzten Wahl im Jahr 2020 bekommt eine satte Parteienförderung von 13,1 Millionen Euro jährlich. Fällt sie auf die in Umfragen kolportierten 24 bis 25 Prozent zurück, gäbe es nur noch die Hälfte davon. Die ÖVP, aber auch die Grünen, würden zudem an Macht verlieren sowie viele lukrative Posten, die man Parteigünstlingen zuschanzte.
Filzmaier: “ÖVP und Grüne haben keinen Grund, Amtszeit selbst zu verkürzen”
In der Kronen Zeitung analysiert Politologe Peter Filzmaier die Situation so:
Beide Seiten versichern zwar bei jeder Gelegenheit, bis 2024 durchhalten zu wollen. Die gegenseitigen Provokationen sind allerdings ein Spiel mit dem Feuer und können schnell eine Eigendynamik entwickeln. Taktisch und logisch gesehen haben ÖVP und Grüne keinen Grund, ihre Amtszeit selbst zu verkürzen.
Kickl möchte Zweierkoalition mit Freiheitlichen an der Spitze
Wann auch immer gewählt wird: Eine Neuauflage von Schwarz-Grün wird es nicht mehr geben. Vielmehr könnte es sein, dass nach der nächsten Nationalratswahl kein Weg mehr an der FPÖ, die sich derzeit im Höhenflug befindet, vorbeiführen wird.
In einem APA-Interview sagte FPÖ-Parteichef Herbert Kickl, dass nur eine Zweierkonstellation mit den Freiheitlichen an der Spitze ein Garant für echte Veränderung in Österreich wäre. Mit wem er am liebsten regieren würde, ließ Kickl offen. Man sei in der Einstellung „vollkommen stabil“. Wörtlich meinte er:
Denn im Unterschied zu manch anderer Partei ist es für mich eine Selbstverständlichkeit, dass man mit allen anderen Parteien Gespräche führt. Ob man zusammenkommt, ist eine andere Frage. Wenn die Freiheitliche Partei stärkste wird, dann würde ich mit den Vertretern beider Parteien in der Reihenfolge ihrer Größe reden – wen auch immer die SPÖ bis dahin als Parteiobmann hat.