Paula Preradovic würde sich im Grab umdrehen, wüsste sie, wie ihr originaler österreichischer Bundeshymnen-Text verhunzt wird. Wäre sie noch am Leben, hätte sie eine Urheberrechtsklage klar gewonnen. Das Thema Bundeshymne ist wieder aktuell, nachdem ORF-Moderator Armin Wolf in der ZIB2 am Mittwoch eine seiner eher irrelevanten, aber umso tendenziöseren Fragen an FPÖ-Chef Herbert Kickl gestellt hatte. Im Zuge der Interview-Serie der Parteichefs bemängelte Wolf, dass beim Neujahrstreffen der FPÖ die Bundeshymne in der Originalversion, also ohne “Töchter”, gesungen worden sei und die FPÖ somit einen “Gesetzesbruch” begangen hätte.
Klare Mehrheit auf Kickls Seite
Dies konterte Kickl sofort mit der Ankündigung, dass ein freiheitlicher Kanzler die Bundeshymne umgehend wieder in die Originalversion umändern und mit dem ganzen “Gender-Unfug” Schluss machen würde. Der Applaus der überwiegenden Mehrheit der Österreicher dürfte ihm sicher sein, während alle anderen Parteien diesen Plänen eine Absage erteilen wollen. Eine aktuelle Umfrage auf heute.at zeigt jedenfalls, dass mindestens 75 Prozent der Befragten die woke „Töchter-Hymne“ nicht singen. Gar nur elf Prozent meinten „ja sicher“. Somit dürfte Wolf sich ohnehin ein Eigentor geschossen haben. Die FPÖ ist medial in aller Munde, da sie die Meinung der Mehrheit der Österreicher vertritt.
Chronologie einer Verunstaltung
Wer erinnert sich noch, wie es zur amtlichen Verunstaltung der Bundeshymne kam? Unzensuriert erinnert: Das Unheil begann am 18. November 2011, als drei relativ unbekannte Nationalratsabgeordnete, Dorothea Schittenhelm (ÖVP), Gisela Wurm (SPÖ), Judith Schwentner (Die Grünen) und noch weitere Politiker einen Entschließungsantrag im Nationalrat einbrachten.
Darin heißt es unter anderem:
Die österreichische Bundeshymne ist nicht gesetzlich festgeschrieben, sondern wurde durch zwei Ministerratsbeschlüsse vom 22.10.1946 bzw. vom 25.2.1947 festgelegt. Den Beschlüssen war ein Auswahlverfahren vorangegangen, in dem die Entscheidung letztlich zugunsten eines Textes von Paula Preradovic zur vorgegebenen Melodie getroffen wurde.
In den mehr als sechzig Jahren seit dieser Entscheidung hat sich der allgemeine Sprachgebrauch verändert. In der Überzeugung, dass Sprache wie kein anderes Medium Bewusstsein prägt, ersuchen die unterzeichneten Abgeordneten den Nationalrat daher darum, nunmehr eine geschlechtergerechte Änderung des Textes der Österreichischen Bundeshymne zu beschließen, indem die beiden Wörter „bist du“ in der ersten Strophe durch die Wörter „großer Töchter und“ sowie das Wort „Bruderchören“ in der dritten Strophe durch das Wort „Jubelchören“ ausgetauscht werden. Diese Änderungen führen zu einer geschlechtergerechten Formulierung der Bundeshymne.
FPÖ und BZÖ gegen Antrag
Wie die Antragssteller auf die Idee kommen, dass sich der “allgemeine Sprachgebrauch” in Österreich geändert habe, blieben sie schuldig. Nach wie vor wird in Österreich (noch) mehrheitlich Deutsch gesprochen, und die deutsche Rechtschreibung kennt, ebenso wie die Umgangssprache, keine Genderei. Der Antrag landete am 22. November 2011 im Verfassungsausschuss. FPÖ und BZÖ stimmten gegen den Antrag und waren damit in der Minderheit. Am 7. Dezember landete der Antrag im Nationalrat. Die FPÖ beantragte eine Volksabstimmung. Nur das BZÖ zog mit, womit der Antrag scheiterte. Noch am selben Tag wurde der Antrag zur “Töchter-Hymne” von SPÖ, ÖVP und Grünen in zweiter und dritter Lesung beschlossen.
Beschlossen werden musste der Antrag noch im Bundesrat. Das geschah am 15. Dezember. Die ganze Chronologie lässt sich auf der Parlaments-Netzseite finden. Nicht einmal einen Monat hat es gebraucht, um das Werk Preradovic’ zu ruinieren. SPÖ, ÖVP und Grünen konnte es nicht schnell genug gehen.