Giuseppe Conte

Der einstige Ministerpräsident und mittlerweile Parteichef der Fünf Sterne Bewegung, Giuseppe Conte, hat bei Neuwahlen in Italien am meisten zu verlieren.

22. Juli 2022 / 08:47 Uhr

Neuwahlen! Mitte-rechts führt deutlich, trotz beispiellosem Niedergang von zwei Parteien

Wie berichtet, kam es gestern, Donnerstag, beim zweiten Anlauf zur Auflösung der italienischen Regierung.
Preisgabe der nationalen Souveränität
Mit dem Scheitern Mario Draghis hat vor allem die kommissarische Verwaltung der italienischen Politik Schiffbruch erlitten. Wegen der prekären Finanzlage Italiens war Draghi vor eineinhalb Jahren quasi von der Europäischen Zentralbank, deren Chef er einst war, und der EU eingesetzt worden. Er wurde Anfang 2021 von außen berufen, um Neuwahlen zu verhindern.
Er selbst hat sich nie irgendeiner Wahl gestellt. Kein Ministerpräsident symbolisierte mehr die Preisgabe der nationalen Souveränität gegenüber Brüssel als Draghi.
Rundumschlag beendete das unlautere Spiel
Nun konnte auch der Quirinal, Staatspräsident Sergio Mattarella, ein linker Christdemokrat, Draghi nicht mehr retten, obwohl er es versucht hatte. Er hatte Draghis erstes Rücktrittsgesuch abgelehnt, doch nun scherte die Fünf Sterne Bewegung (M5S) aus.
Draghi reagierte bei seiner Rede im Parlament mit harten Beschimpfungen, die sich nicht nur gegen Conte, der neuerdings Parteichef der M5S ist, richtete, sondern zugleich auch gegen Matteo Salvini von der Lega und Silvio Berlusconi, den früheren Regierungschef und Parteiobmann der Forza Italia. Die Beschimpften zogen daraus die Konsequenz und der Regierung das Vertrauen.
Giorgia Meloni vor Draghi
Wie geht es jetzt weiter in Italien? Am 25. September schon gibt es Neuwahlen. Das heißt, man will einen sehr kurzen Wahlkampf, denn bis Anfang September tut sich in Italien nichts, August ist Urlaubszeit. Die Schule beginnt von Region zu Region unterschiedlich; die letzte startet nur eine Woche vor der Wahl. Das ist ein absolutes Novum, in der Regel wurde im Juni kurz vor Schulschluss gewählt. Die Auswirkungen sind ungewiss, es fehlen die Erfahrungswerte.
Allerdings gibt es aktuelle Umfragen. Eine vor zehn Tagen (also noch bei bestehender Regierung) durchgeführte Umfrage ergab, dass die Italiener Giorgia Meloni, Parteichefin der „Brüder Italiens“, der einzigen Partei, die sich von Draghi nicht hatte einkaufen lassen, als nächsten Regierungschef bevorzugen – noch vor Draghi:

  • Giorgia Meloni 24,1 Prozent
  • Mario Draghi 22,5 Prozent
  • Giuseppe Conte 14,7 Prozent
  • Mattel Salvini 9,3 Prozent
  • Enrico Letta (Linksdemokraten, PD) 8 Prozent
  • Rest: keinen der Genannten oder andere

Mitte-rechts mit theoretischer Mehrheit
Mitte-rechts hat in Umfragen eine Mehrheit, doch sie holen sie nicht ab: Die Brüder Italiens (Fratelli d’Italia, einzige Oppositionspartei) halten bei 23,5 Prozent, die Lega bei 14,8 Prozent und Forza Italia bei 8,3 Prozent.
Im Spätsommer 2021 war Melonis Partei mit 20,5 Prozent kurzzeitig sogar stärkste Partei in den Umfragen. Durch den Niedergang der M5S konnten die Linksdemokraten (PD) aber zulegen, weshalb diese sich den ersten Platz sicherten. Nun liegen PD und die Brüder Italiens mit je 23,5 Prozent gleichauf.
Mitte-rechts käme aktuell auf 47 Prozent, Mitte-links auf 32 Prozent. Die M5S, die sich wie in ihrer Entstehungszeit wieder von den beiden Blöcken fernhalten will, liegt nur noch bei elf Prozent.
Niedergang zweier Parteien
Seit vier Jahren erlebt Italien den beispiellosen Niedergang zweier Parteien: Seit April 2018 des M5S von 34 auf elf Prozent und seit August 2019 der Lega von 37 auf weniger als 15 Prozent.
Mitte-rechts befindet sich in einem Paradox, das aus anderen Ländern ebenso bekannt ist. Es hätte die Mehrheit, um zu regieren, braucht aber Neuwahlen. Themen wie Steuerlast, Einwanderung, Recht und Ordnung, kein pedantisch-pädagogischer Hang zur Zwangserziehung des Volkes sind das große Kapital. Die Anführer nützen es aber nicht wirklich.
Taktische Überlegungen in den Parteien
Berlusconi leistet Treuschwüre zu Mitte-rechts, liebäugelt aber auf Druck seiner Minister mit (irgend)einer Neuauflage der bisherigen Regierungskonstellation (auch ohne Draghi). Wie berichtet, wird bei Neuwahlen jeder dritte Parlamentarier seinen gut bezahlten Posten verlieren.
Conte möchte den Niedergang der M5S durch den Gang in die Opposition stoppen, allerdings ohne Neuwahlen, denn die meisten Mandatare seiner Partei würden dann ihr Mandat verlieren, wegen des prozentualen Einbruchs und wegen der Parlamentsreduzierung.
Salvini ist durch den Niedergang der Lega irritiert. Nach Neuwahlen wäre er nur Juniorpartner Melonis. Er war es allerdings, der sich im Sommer 2019 verzockt hatte und 2021 die Lega in die Draghi-Regierung führte.
Zurücklehnen kann sich derzeit nur eine: Meloni hat alles richtig gemacht.

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