Martin Graf / Wahlbeobachtung in Ungarn

FPÖ-Nationalratsabgeordneter Martin Graf war vom Europarat zur Wahlbeobachtung nach Ungarn geschickt worden.

6. April 2022 / 15:34 Uhr

Wahlbeobachter Martin Graf widerspricht westlicher Darstellung des sensationellen Orbán-Triumphes

Mit 53 Prozent der Stimmen feierte Viktor Orbán am vergangenen Sonntag den überragendsten Wahlsieg einer politischen Formation in Ungarn seit dem Ende des Kommunismus vor mehr als 30 Jahren. Der Westen war geschockt, hatten Meinungsforscher doch ein enges Rennen zwischen der Opposition (sechs Parteien haben sich zusammengeschlossen) und Orbáns Fidesz-Partei vorausgesagt. Mit Gratulationen hielt man sich zurück, stattdessen gab es sofort die Erklärung für Orbáns Sieg: Dieser hätte die Ressourcen der Regierung und des Staates ungeniert in den Dienst seiner Wahlwerbung gestellt und die freie Presse weitgehend ausgeschaltet.
“Patt-Stellung bei Medien ist Linken ein Dorn im Auge”
Dem widerspricht FPÖ-Abgeordneter Martin Graf, der als einer von hundert Wahlbeobachtern des Europarats fungierte und gemeinsam mit 300 Gesandten der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) sowie 2.000 Beobachtern verschiedener NGOs die Abläufe vor und während der Stimmabgabe überwachte. Bezüglich Medienlandschaft meinte Graf, dass es in Ungarn eine Patt-Stellung zwischen linken und bürgerlich-konservativen Medien gäbe – „und das ist den Linken ein Dorn im Auge“.
Nur fünf Minuten Sendezeit im Staatsfernsehen
Nach seiner Beobachtung sei es sowohl vor, als auch bei der Durchführung der Wahl äußerst korrekt zugegangen. Dem Vorwurf einiger Medien, die Opposition hätte im Staatsfernsehen nur fünf Minuten Sendezeit bekommen, entgegnete Graf, dass auch die Fidesz nur diese Zeit zur Verfügung gehabt hätte. Jede weitere Wahlwerbung hätten alle Parteien selbst bezahlen müssen.
Privatfernsehen auf der Seite der Opposition
Dass Orbán als Regierungschef öfters im Staatsfernsehen vorgekommen sei, wäre nichts Ungewöhnliches und vergleichbar mit Österreich, wo ja auch der Bundeskanzler abseits des Wahl-Alltags mit anderen Themen im ORF vertreten sei. In Ungarn, so Graf, gäbe es zudem eine Vielzahl an Privatfernsehen, mit RTL den größten privaten Fernsehsender im Land. Deren Beiträge würden zu 90 Prozent für die Oppositionsparteien ausfallen. Beim Radio wäre die Situation ähnlich.
Schaue man sich den Zeitungsmarkt an, gäbe es hier ein Verhältnis von 60 zu 40 Prozent für die Linken, im Social-Media-Sektor fiele das Verhältnis von 70:30 noch übermächtiger zugunsten der Linken aus.
Lebensbedingungen für Menschen verbessert
Man könne also nicht wieder mit der Keule schwingen, dass Orbán aufgrund einer Medien-Zensur diesen klaren Triumph gefeiert habe. Tatsächlich sei die Mehrheit der Wähler mit den Zuständen im Land zufrieden. In der seit zwölf Jahren währenden Regierungszeit Orbáns hätten sich die Lebensbedingungen für viele Ungarn verbessert.
Viele Fehler der Opposition
Graf sieht auch entscheidende Fehler, die die Opposition im Wahlkampf gemacht habe. Für ihn sei es unverständlich, dass sich eine Sechs-Parteien-Koalition aus dem linken, grünen, liberalen und rechten Spektrum zusammengeschlossen habe. Seiner Meinung nach würde ein rechter Wähler ja niemals die linken Vertreter mitwählen, sondern bei der Urne gleich eine Stimme für Orbán abgeben. Umgekehrt würden linke Wähler sich schwertun, der offen rechtsradikalen “Jobbik”-Partei ihre Stimme zu geben.
Ungarn aus Krieg heraushalten
Einen Fauxpas hätte sich der wenig charismatische Oppositionsführer Péter Márki-Zay geliefert, als er sich für einen NATO-Einsatz im Ukraine-Krieg ausgesprochen hätte. Somit wären auch Soldaten des NATO-Landes Ungarn in die Auseinandersetzung hineingezogen worden. Orbán dagegen beteuerte stets, Ungarn aus dem Krieg heraushalten zu wollen.
Wahlsystem an Niederlage für Opposition nicht schuld
Laut Graf würde Márki-Zay im Nachhinein zu Unrecht das Wahlsystem kritisieren. Denn seine Taktik mit dem Zusammenschluss der sechs Parteien wäre genau auf dieses Wahlsystem ausgelegt gewesen. Wenn aber viel zu wenig Menschen das Oppositionsbündnis wählen würden, könne kein Wahlsystem der Welt das Ergebnis verschönern.

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