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Die EU-Gesetze, laut denen Österreich Kindergeld ins Ausland bezahlen muss, werden von den Gerichten unterschiedlich ausgelegt.

27. Feber 2022 / 17:58 Uhr

Kindergeld ins Ausland: Widersprüchliche Gerichtsurteile schaffen Rechtsunsicherheit

Unzensuriert hat immer wieder über die EU-Gesetze berichtet, die regeln, dass Österreich Familienleistungen wie die Familienbeihilfe, das Kinderbetreuungsgeld oder den Familienbonus Plus an Kinder bezahlen muss, die nicht in Österreich wohnhaft sind.
Erwerbstätigkeit keine Voraussetzung für Familienleistung
Laut EU hätte jemand Anspruch auf Familienleistungen, wenn er in Österreich arbeitet und in diesem Land Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bezahlt, auch dann, wenn das Kind nicht in Österreich wohnt.
Ein Nonsens, da bei österreichischen Familienleistungen nicht verlangt wird, dass Eltern erwerbstätig sein müssen, weshalb auch eine Erwerbstätigkeit von wem auch immer niemals eine Voraussetzung sein kann, um Familienleistungen zu erhalten.
Familienbonus Plus für im Ausland wohnhaftes Kind
Wie auch immer. Zwei Entscheidungen des Bundesfinanzgerichts sollen aufzeigen, wie selbst von Richtern die Gesetze unterschiedlich ausgelegt werden, was zu Verunsicherungen führt.
Das Bundesfinanzgericht hatte im Jänner letzten Jahres über einen Fall zu entscheiden, der den Familienbonus Plus und indirekt die Familienbeihilfe zum Inhalt hatte. Konkret ging es um einen Vater, bei dem eines seiner Kinder bei der geschiedenen Mutter in der Bundesrepublik Deutschland wohnte. Die Mutter bezog das bundesdeutsche Kindergeld, das gleichartig zur österreichischen Familienbeihilfe ist. Der Vater beantragte in Österreich den Familienbonus Plus. Das Finanzamt lehnte den Antrag zuerst ab, weil das Kind nicht in Österreich wohnhaft sei und der Vater daher auch keine Familienbeihilfe beziehe. Außerdem habe er die Familienbeihilfe nicht beantragt.
Antrag des Vaters gilt nicht als Antrag der Mutter
Im weiteren Rechtsgang beantragte der Vater die Familienbeihilfe, auf die er grundsätzlich dem Grunde nach einen Anspruch hätte. Da die bundesdeutsche Leistung allerdings höher ist, hat der Vater keinen Anspruch der Höhe nach.
Letztendlich lehnte das Bundesfinanzgericht seinen Antrag auf die Familienbeihilfe (bzw. einer Differenzzahlung, die null Euro betragen würde) mit der Begründung ab, dass die Mutter den Antrag stellen müsste. Da von ihr kein Antrag gestellt worden sei, habe der Vater auch nicht dem Grunde nach einen Anspruch auf die Familienbeihilfe und somit auch nicht auf den Familienbonus Plus.
Antrag des Vaters gilt doch als Antrag der Mutter
Interessant ist, dass das Bundesfinanzgericht lange zuvor in einer ähnlichen Rechtssache anders entschieden hatte. Ein in Österreich wohnhafter Vater beantragte die Familienbeihilfe für seinen Sohn, der mit der geschiedenen Mutter in Polen lebte. Der Vater machte geltend, dass er überwiegend bzw. faktisch zur Gänze einen Unterhalt für sein Kind bezahle. Das Bundesfinanzgericht meinte, dass die überwiegende Unterhaltszahlung nicht von Bedeutung sei. Sie wäre es jedenfalls, würde das Kind in Österreich wohnen. Außerdem – und das ist jetzt interessant – heißt es, dass der Antrag des Vaters auf die Familienbeihilfe als Antrag zugunsten der Mutter zu werten sei, die übrigens keinen Antrag stellte.
In einer Entscheidung wird der Antrag des Vaters nicht auch als Antrag der Mutter gewertet, in der anderen Entscheidung schon. Was gilt jetzt? Zwar wurde das Urteil des Vaters, dessen Kind in Polen wohnhaft ist, vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben. Allerdings hat dieser nur in jener Frage entschieden, dass dem Vater, der überwiegend für sein im Ausland wohnhaftes Kind Unterhalt bezahlt, die Familienbeihilfe zusteht.
Ganz andere Entscheidung in der Bundesrepublik Deutschland
Eine ganz andere Entscheidung gab es übrigens in der Rechtsache C-16/09 Schwemmer, bei der es ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gab. Die in Deutschland wohnhafte Mutter hatte einen Rechtsstreit wegen des deutschen Kindergelds, da der geschiedene und erwerbstätige Vater in der Schweiz lebte. Die Schweiz wäre vorrangig zuständig gewesen, Familienleistung zu bezahlen. Der Vater stellte aber offenbar aus Boshaftigkeit keinen Antrag.
Deutschland wollte der Mutter nur die Differenzzahlung (also das Kindergeld abzüglich der fiktiven Leistung aus der Schweiz) bezahlen. Eine grundsätzlich nachvollziehbare Ansicht, welcher der EuGH allerdings nicht folgte. Letztendlich entschied der deutsche Bundesfinanzhof (die höchste Instanz) in der Rechtsache III R 92/07 mit Beschluss, dass die Mutter die Voraussetzungen für das deutsche Kindergeld erfülle und ihr Anspruch nur aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Konkurrenzregeln gemindert werde. Es sei auch nicht gerechtfertigt, sie darauf zu verweisen, die Antragstellung durch den Vater (auf die Schweizer Familienleistung) auf dem Zivilrechtsweg durchzusetzen.
Wo bleibt die Rechtssicherheit?
Gerichte entscheiden vollkommen unterschiedlich. Da soll sich einer auskennen. Dank der wirren EU-Gesetze kommt es jedenfalls laufend zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, bei denen die linke Hand wohl nicht weiß, was die rechte zuvor getan hat.

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