Die Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und Neos reichten am Montag eine Ministeranklage gegen ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel ein. Damit will man – weil Blümel nach Meinung der Opposition bei der Aktenlieferung an den „Ibiza“-Untersuchungsausschuss Verfassungsbruch begang – eine Amtsenthebung des Finanzministers erwirken. Die Grünen schimpfen zwar in den Medien heftig über das Verhalten von Blümel, doch zu einem Schulterschluss mit der Opposition werden sie sich nicht durchringen können.
Grüne halten Nehammer und Blümel die Stange
Die Frage stellt sich daher: Was muss eigentlich noch passieren, damit die Grünen einen Schlussstrich unter diese Koalition mit den Schwarzen ziehen oder zumindest Anstand wahren und bei schlimmen Vergehen ÖVP-Ministern nicht die Stange halten? Wären die Grünen in Opposition, hätten sie wohl – ohne mit der Wimper zu zucken – dem Misstrauensantrag gegen ÖVP-Innenminister Karl Nehammer für sein Versagen im Vorfeld des Wien-Attentats zugestimmt. Auch die Ablöse Blümels wäre bei den Grünen in Opposition kein Thema gewesen, als bekannt wurde, dass der amtierende Finanzminister von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in den Ermittlungen zu Casinos Austria und Novomatic als Beschuldigter geführt wird.
Grüne lassen Anstand vermissen
Jetzt aber, erstmals in der Regierung und ausgestattet mit Macht und die Möglichkeit von Postenbesetzungen, gehört Anstand, für den die Grünen vor den Wahlen so intensiv warben, offenbar nicht mehr zu den Tugenden der Grünen Bewegung. Wie berichtet, gibt es auch in der Causa „Aktenlieferung“ scharfe Attacken gegen den Koalitionspartner. Grünen-Parteichef Werner Kogler meinte, „ein Minister kann das Höchstgericht nicht an der Nase herumführen“.
“Mangel an Respekt vor Institutionen”
Es wäre, so Kogler weiter, kein Ruhmesblatt für Blümel gewesen, dass er der Aufforderung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), Akten an den „Ibiza“-Untersuchungsausschuss zu liefern, solange nicht nachgekommen sei, bis der Bundespräsident Zwangsandrohungen machen musste. Das sei keine Kleinigkeit und ein Mangel an Respekt vor Institutionen.
Bundespräsident drohte mit zwangsweiser Exekution
Bundespräsident Alexander Van der Bellen meinte in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz, in dem er Blümel sogar mit der Militärpolizei bzw. dem Bundesheer drohte, um das VfGH-Erkenntnis zu exekutieren, dass es einen derartigen Vorfall „in der Form in diesem Land noch nicht gegeben hat“.
Macht und Posten wichtiger
Der Antrag der Opposition auf Amtsenthebung Blümels wird zunächst einmal dem Verfassungsausschuss zugewiesen. Wirklich gefährdet ist der ÖVP-Finanzminister aber nicht, denn für eine Ministeranklage beim VfGH ist ein Mehrheitsbeschluss des Nationalrats notwendig. Ohne Stimmen zumindest von einer Regierungspartei geht das nicht.
Wetten, dass die Grünen, die den Finanzminister via Medien zwar besudeln, aber bei Abstimmungen stets Koalitionstreue zeigen, auch hier wieder im Liegen umfallen werden, um Macht und Posten zu erhalten. Ob es dadurch gelingt, schnell wieder zur Tagesordnung überzugehen, darf bezweifelt werden.