Ein Tweet zwischen FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch und ÖVP-Berater Philipp Hartig lässt Fragen zur Rechtsgüterabwägung zwischen Recht und Gesundheitsschutz offen.

11. April 2020 / 08:40 Uhr

ÖVP-Klub: Rechtsstaat für Wögingers gesundheitspolitischen Berater unwichtig?

In Krisenzeiten kehrt sich bei vielen Verantwortungsträgern in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft sehr oft, bewusst oder unbewusst, das „Innerste“ nach „außen“. Die aktuelle Coronavirus-Seuche und ihre politische sowie rechtliche Bewältigung lässt da vor allem bei den beiden Regierungsparteien ÖVP und Grüne sehr tief in das rechtspolitische und rechtsstaatliche Selbstverständnis blicken.

Aufschlussreicher Tweet

In einem Tweet mit der freiheitlichen Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch lässt Philipp Hartig, stellvertretender Klubdirektor des ÖVP-Parlamentsklubs und wichtigster gesundheitspolitischer Berater von Klubobmann August Wöginger, einen Blick in sein Verständnis über Politik, Recht und Staat in Zeiten von Corona zu. Grundlage des Tweets war eine Diskussion über die Bewertung der Covid-19-Sammelgesetze durch führende Juristen des Landes.

Belakowitsch auf Twitter: Darf ich an das letzte Expertenhearing erinnern, – als niemand – weder die Beamten des BMG (Gesundheitsministeriums) noch der KC (Kabinettschef Bernhard Bonelli) des BKA (Bundeskanzleramtes) die gesetzliche Basis der Maskenpflicht im Supermarkt beantworten kann.

Hartig auf Twitter: Bei allem Respekt: mir geht es 1., 2. und 3. darum, dass sich möglichst wenig Leute anstecken und die Mitarbeiter/innen im Supermarkt bestmöglich geschützt sind. Das ist ein Gebot der Vernunft und der Menschlichkeit. Alles andere ist weniger wichtig.

Belakowitsch auf Twitter: Verstehe ich das richtig- Gesetze sind gar nicht so wichtig.

Hartig auf Twitter: Nein, sie verstehen nicht.

Steht Corona-Absolutismus für ÖVP-Berater über Gesetz?

Man möchte dem langjährigen ÖVP-Sozial- und Gesundheitsexperten Hartig ja nichts unterstellen, aber dass er sich in seiner solchen Frage nicht eindeutig einer Rechtsgüterabwägung zwischen Recht und Gesundheitsschutz stellt und stattdessen eine Art „Corona-Absolutismus“, der auf einer wie immer herzuleitenden „Vernunft“ und „Menschlichkeit“ fußt, lässt einen breiten Interpretationsspielraum zu. Ist etwa der Rechtsstaat für Wögingers gesundheitspolitischen Berater unwichtig?

Dass so ausgewiesene Verfassungs- und Verwaltungsrechtsexperten, wie der ehemalige Präsidialsektionschef im Bundeskanzleramt, Manfred Matzka, im Gesamtkontext der aktuellen Corona-Anlassgesetzgebung Parallelen zum Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetz 1917 sucht und findet, ist wohl auch nicht verwunderlich.

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