Durch den Mord- und Korruptionsfall rund um die Journalistin Daphne Curana Galizia ist das ökonomische und politische System des Inselstaates ins Interesse der internationalen Öffentlichkeit gerückt. Finanz- und Justizexperten sehen in Malta ein El Dorado für die internationale Schattenwirtschaft. Dabei spielt vor allem der Glücksspiel- und Finanzwirtschaftssektor eine zentrale Rolle. Nicht zuletzt die für internationale Unternehmen attraktive Steueroase Malta machen sie zu einem Anziehungspunkt für diverse Geschäftstransaktionen im Grau- und Schwarzbereich.
Allein zwischen 2004 und 2016 soll der Staat Malta im Durchschnitt 2,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes an Steuerhinterzieher verloren haben. Demgegenüber lag der EU-Durchschnitt bei 0,46 Prozent und damit bei einem Fünftel der maltesischen Steuerausfälle.
Steuerbetrug: Verlust von 260 Millionen Euro
Allein im Jahr 2016 soll der Staat Malta nicht weniger als 260 Millionen Euro durch fortgesetzten Steuerbetrug verloren haben. So sollen in diesem Referenzjahr immerhin 180 Millionen Euro an Einkommenssteuer und 50 Millionen Euro an Kapitalertragssteuer hinterzogen worden sein. Damit liegt Malta vor Zypern und Portugal an der Spitze der EU-Staaten in Sachen Steuerbetrug.
Experten sehen mangelhafte Steuergesetze, organisierte Wirtschaftskriminalität und eine wachsende Schattenwirtschaft für diese Situation verantwortlich. Malta hat mit der Annahme der Anti-Steuerhinterziehungsrichtlinien der EU im Frühjahr zwar ein Signal gesetzt, aber wie das konkret umgesetzt wird, ist fraglich.
45 Prozent der Finanzguthaben in internationaler Hand
Vor allem das hohe Finanzguthaben von 45 Prozent in internationaler Hand ist ein Indiz für den auch für ausländische Schattenunternehmer attraktiven Wirtschaftsstandort Malta. Internationale Firmen profitieren von Unternehmenssteuersätzen von bis zu fünf Prozent, während diese im EU-Durchschnitt bei 22 Prozent liegen.
Die unter der Regierung des Sozialisten Joseph Muscat ein- und fortgeführten Projekte „Malta Residency and Visa Programme” und das „Individual Investor Programme” sind ein einziges Einfallstor für internationale Steuersünder. Sie ermöglichen ausländischen Investoren den Erwerb einer dauerhaften Aufenthaltsberechtigung oder gar der maltesischen Staatsbürgerschaft. Hierzu müssen die Interessenten an die Regierung lediglich zwischen 140.000 und 800.000 Euro zahlen und auf Malta Immobilienbesitz erwerben oder anmieten.
Mordfall Galizia: 450-Millionen-Geschäft als Ausgangspunkt
Im Zusammenhang mit der Steuer- und Schattenwirtschaftsoase Malta ist es auch kein Zufall, dass am Beginn des Mordfalls dubiose Vorgänge um ein 450-Millionen-Geschäft und den Bau eines Flüssiggaskraftwerks durch die “Elektrogas Malta” gestanden haben, an denen neben der staatlichen Energiegesellschaft des Staates Aserbaidschan auch der deutsche Siemens-Konzern und der auf der Anklagebank sitzende Tourismus- und Glücksspielunternehmer Yorgen Fenech mutmaßlich beteiligt gewesen sein sollen.