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ÖVP-Kurz hat gefordert, dass eine “Taskforce” überprüfen soll, ob die Familienbeihilfe für 130.000 Kinder im Ausland zu Recht bezahlt wird. Eine Idee, die an der Umsetzung scheitert. Das Problem kann ganz anders gelöst werden.

11. September 2019 / 12:10 Uhr

Medien schlucken jeden ÖVP-Blödsinn, ohne ihn zu hinterfragen

Es muss an dieser Stelle einmal ganz klar geschrieben werden: Die meisten unserer angeblich „normalen“ Medien schlucken jede Idee und jede Forderung der ÖVP, auch wenn sie ein noch so großer Blödsinn ist. Ein Beispiel von vielen im Faktencheck: Es geht um die neuerliche Forderung nach einer “Taskforce”, die speziell auch überprüfen soll, ob für die rund 130.000 Kinder, die nicht in Österreich leben, ein Anspruch auf Familienleistungen besteht. Das klingt nett und gefällt auch dem Wähler. Wenn es die ÖVP aber wirklich ernst meint, dann müsste sie das Problem an der Wurzel packen – was sie aber nicht tut. Dies kann entweder daran liegen, dass die Schwarzen die Wurzel nicht kennen, oder überhaupt nicht bekämpfen wollen. Ihr jetziger Vorschlag ist der reinste Schwachsinn.

Kommentar von Unzensurix

Unzensuriert hat kürzlich berichtet, dass eine „Taskforce gegen Sozialbetrug“ vom damaligen Innenminister Herbert Kickl ins Leben gerufen wurde, die innerhalb Österreichs – zuletzt etwa in Salzburg – erfolgreich Sozialmissbrauch aufdeckte. Was allerdings die Überprüfung der Familienbeihilfe ins Ausland betrifft, so hat unzensuriert mehrmals über die Faktenlage berichtet.

Zur Erinnerung:

Die Kontrolle führen die Finanzämter durch. Dass die ÖVP nun eine „Taskforce“ fordert, die Familienleistungen überprüfen soll, ist angesichts ihrer Rolle im Finanzministerium, das die Schwarzen überwiegend besetzt haben, eine Farce. Laut einem Rechnungshofbericht dauerte die Überprüfung, ob für ein Kind im Ausland ein Anspruch auf Familienleistungen aus Österreich besteht, durchschnittlich 111 Kalendertage. 26 Tage dauert hingegen die Überprüfung von Anträgen für Kinder, die in Österreich leben. Obwohl die Anzahl der zu überprüfenden Fälle zunahm, gingen im Zeitraum 2012 bis 2016 die in den Finanzämtern eingesetzten Personalkapazitäten um sechs Prozent zurück, womit es zu Arbeitsrückständen kam. Letztendlich gab es einen Erlass, der eine Verringerung der Kontrollintensität in Bereichen vorsah, die das Bundesministerium für Finanzen als “weniger risikogeneigt” einschätzte.

Das heißt zusammengefasst: Die ÖVP will eine „Taskforce“ einrichten, obwohl sie zuvor im Finanzamt – trotz steigender Überprüfungsfälle – weniger Personal einsetzte und auch die Kontrollen entschärfte. Hier ruft der Brandstifter nach der Feuerwehr.

Der Faktencheck:

Gehen wir jetzt allerdings davon aus, dass eine entsprechende Kontrollbehörde Befugnis hätte, zu überprüfen, ob es Sozialmissbrauch bei der Familienbeihilfe für Kinder im Ausland gibt. Eine solche Behörde müsste erstens überprüfen, wem das Finanzamt Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag ins Ausland überweist. In weiterer Folge muss die „Taskforce“ überprüfen, ob es die Kinder tatsächlich gibt und ob einer der Eltern einer Erwerbstätigkeit nachgeht oder einen Pensionsanspruch hat.

Wir reden von 132.000 Kindern, die im Jahr 2016 Anspruch hatten. 2017 waren es 125.000. Für 2018 gibt es noch keine öffentlichen Zahlen. Für wie viele Kinder Österreich die volle Familienbeihilfe in folgende Staaten bezahlt hat, wird hier aufgeschlüsselt.

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Bei der Liste werden jene Staaten angeführt, die die meisten Kinder haben, für die die volle Familienbeihilfe aus Österreich bezogen wird. Nicht eingerechnet sind alle restlichen der insgesamt 31 Staaten. Außerdem sind nicht die Zahlen dabei, bei denen es um Kinder geht, die nur eine Differenzzahlung erhalten. Und diese Anzahl der Kinder ist weitaus höher. Differenzzahlung steht jenen Eltern zu, bei denen Österreich nicht alleine seine Beihilfe zahlt, sondern zuerst der Staat seine Leistung bezahlen muss, in dem das Kind lebt. Dies trifft dann ein, wenn beide Eltern arbeiten, oder nur jener, der im Ausland mit dem Kind lebt. Da bei einer solchen Konstellation das Finanzamt in der Vergangenheit zwar nur zuordnen konnte, welcher Elternteil das Geld bekommt, war nie genau bekannt, wo das Kind oder die Kinder leben, weshalb es nur Schätzungen gibt.

Gibt es die Kinder überhaupt – und wo leben sie?

Wie auch immer. Die “Taskforce” müsste, wenn sie wirklich überprüfen will, wo die Kinder leben, permanent in den oben genannten Staaten unterwegs sein und bei den Wohnadressen der Eltern anklopfen und überprüfen, ob dort Kinder leben. Auch müsste geprüft werden, ob einer der Eltern arbeitet oder einen Pensionsanspruch hat. Da wir von 31 Staaten reden, in denen sicher auch Bürger leben, die nicht der deutschen Sprache mächtig sind, müssten auch Dolmetscher etc. unterwegs sein. Es wäre ein ungeheurer Personalaufwand notwendig, der freilich auch Geld kostet.

Unbestritten ist sicherlich, dass der Rechnungshof stichprobenartig überprüft hat, ob Familienbeihilfe zu Recht ausbezahlt wird. Es gab auch Fälle, bei denen die volle Familienbeihilfe zu Unrecht bezahlt wurde, weil beide Eltern gearbeitet haben und daher nur eine Differenzzahlung zu überweisen wäre. Zu überprüfen, ob es die Kinder auch gibt, ist allerdings eine Mammutaufgabe.

Die Lösung?

Grundsätzlich sind alle EU-Staaten zum wahrheitsgemäßen Datenaustausch verpflichtet. Dieser sollte seit Juli dieses Jahres sogar elektronisch erfolgen, was aber fast alle Staaten bisher verabsäumt haben. Das Beste wäre, wenn die EU-Gesetze insofern geändert werden, damit jeder Staat seine Familienbeihilfe nur für Kinder bezahlt, die in seinem Land leben. Wie das geht? Es müssten Artikel 67 und 68 der EU-Verordnung 883/2004 gestrichen werden, und Österreich würde sich sehr viel ersparen – vor allem auch die vollkommen undurchdachten Ansagen der ÖVP.

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