Am 5. September wurde die neue italienische Linksregierung vereidigt. Sie setzt sich aus Fünf-Sterne-Bewegung (5S), Linksdemokraten (PD) und der radikalen Linkspartei LeU zusammen. Erst am Tag danach wurde bekannt, dass gegen Ciro Grillo, den 19-jährigen Sohn Beppe Grillos, wegen des Verdachts auf Beteiligung an einer Gruppenvergewaltigung ermittelt wird.
Politische Rückkehr von Beppe Grillo
Der Politkomiker Beppe Grillo ist der Gründer und eigentliche Kopf der Fünf-Sterne-Bewegung. Durch die Regierungsbildung mit der rechten Lega von Matteo Salvini verlor Grillo an Einfluss auf seine Politschöpfung.
Die im Sinne der EU und des Establishments erfolgte Umfärbung der Regierung wurde von Grillo tatkräftig unterstützt. Der Regierungswechsel brachte ihm die Kontrolle über die Fünf-Sterne-Bewegung zurück. Der Parteivorsitzende und bisherige Vize-Premier Luigi Di Maio wurde zwar Außenminister, sitzt dort aber mangels Englisch-Kenntnissen und gelegentlicher Verwechslungen wie jener von Chile mit Venezuela mehr auf einem Schleudersitz als fest im Sattel. Die EU-Agenden und der Außenhandel wurden vorsorglich ohnehin in andere Ministerien ausgelagert.
Moralapostel ohne familiären Erfolg
Grillo gilt als „Moralapostel“ der Politik, der allem und allen die Leviten liest und mit dem moralischen Zeigefinger nicht geizt.
Grillo hat sich seinen Mythos mit der Parole Transparenz geschaffen, und indem er jahrzehntelang auf den Straßen und Plätzen Väter, Mütter, Großeltern von jedermann abkanzelte. Grillo, der uns alle belehren will, scheint in seiner eigenen Familie damit wenig Erfolg zu haben.
So ätzte gestern, Sonntag, die Tageszeitung La Verità. Zuerst wurde seine älteste Tochter, Luna Grillo, von der Polizei im Besitz von Kokain angehalten. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den ältesten Sohn.
Vergewaltigung bis zum Regierungswechsel unter Verschluss
Die Enthüllung, von den Medien, die den Regierungswechsel unterstützen, weitgehend übergangen, sorgten bei den Kritikern für Empörung wegen der Chronologie. Laut Polizeiprotokoll ereignete sich der Vorfall bereits am 16. Juli. Zur Anzeige brachte ihn das betroffene Mädchen am 26. Juli. Die Nachricht wurde aber genau bis zum Tag nach dem Regierungswechsel zurückgehalten. „Das hätte man bei anderen Politikern nicht getan“, so die Tageszeitung Libero. Schon gar nicht in Italien, wo die Medien die vollständigen Namen von Angeklagten und Verdächtigen veröffentlichen.
„Die Fakten werden die Richter klären“, so die Tageszeitung La Verità. Und weiter:
Für jeden Verdächtigen gilt bis zum Beweis des Gegenteils die Unschuldsvermutung, also genau das, was Beppe Grillo und seine Adepten meist anderen nicht zugestehen wollen.
Trauriger nationaler Rekord
Bedenklich an der Sache sei jedoch ein „nationaler Rekord“. Die Anzeige gegen den Grillo-Sohn, die am gleichen Tage erfolgte, als die „Operation Ursula“ anlief, wurde von den Ermittlungsbehörden 40 Tage zurückgehalten. Verità:
Erstmals in der jüngsten Geschichte der italienischen Justiz, die 1992 einsetzte, blieb ein Ermittlungsakt, auf dem ein so brisanter Name steht, ganze 40 Tage in der Schublade.
1992 hatten die Korruptionsermittlungen Tangentopoli die italienische Parteienlandschaft verändert, indem sie das Ende aller Regierungsparteien der Nachkriegszeit einläuteten.
Hätte es Silvio Berlusconi oder Matteo Salvini betroffen, wäre ihr Name schon nach einer Minute in allen Nachrichtensendungen zu hören gewesen.
So die Verità weiter.
Auch hierzulande: „Zufällige“ Ermittlungen vor Wahlterminen
Auch im deutschen Kulturraum sind „zufällige“ Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vor Wahlterminen nicht unbekannt. Eine Einmischung in den Wahlkampf wird jeweils prompt in Abrede gestellt.
La Verità und auch andere Medien wollen auch in diesem Fall, wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen, nicht an einen „Zufall“ glauben, da die ungewöhnliche Zurückhaltung exakt solange dauerte wie die Regierungskrise, in der Beppe Grillo, der Vater des Verdächtigen, eine zentrale Rolle spielte. Während Matteo Renzi (PD) und Staatspräsident Mattarella mit Beppe Grillo im Hinterzimmer unter Ausschluss des Volkes die vom „System“ gewünschte neue Mehrheit zimmerten, blieb die kompromittierende Nachricht unter Verschluss. Kaum war die neue EU-freundliche Linksregierung vereidigt, war der Name von Ciro Grillo auf den Titelseiten zu lesen.
Druckmittel auf Grillo?
Offensichtlich befürchtete „jemand“ negative Auswirkungen für die „Operation Ursula“.
La Verità fragt, ob der Vergewaltigungsvorwurf nicht auch ein mögliches Druckmittel auf Beppe Grillo gewesen wäre, der sich, wie jeder gute Familienvater, schützend vor seinen Sohn stelle.