Die nächste Blamage! ÖVP-Kurz wirbt mit einer Forderung, die bereits vom damaligen FPÖ-Innenminister Herbert Kickl umgesetzt wurde.

2. September 2019 / 16:06 Uhr

“Taskforce gegen Sozialbetrug”: ÖVP fordert etwas, das es längst gibt

Die ÖVP hat eine „Taskforce“ angekündigt, die gegen Sozialbetrug bei Einwanderern vorgehen soll. Das klingt wieder einmal nett und plakativ und kann dem Wähler nur gefallen. Allerdings wirbt die ÖVP schon wieder mit etwas, das entweder eine Idee der FPÖ ist, oder bereits umgesetzt wurde bzw. jemand anderer zuständig ist. Den Medien ist das vielfach egal -Hauptsache, eine neue Schlagzeile. Und so das Gratis-Blatt Heute promt die ÖVP-Forderung ab, ohne sie ernsthaft zu hinterfragen.

Nach den Vorstellungen der ÖVP soll die “Taskforce” Sozialleistungen überprüfen und potentiellen Missbrauch aufdecken. Die Partei meint: Österreich zahle für mehr als 130.000 Kinder im Ausland Familienbeihilfe, pro Jahr würden 33.000 E-Cards gestohlen, weitere 163.000 als „verloren“ gemeldet. Und die Außenstände bei ausländischen Krankenkassen beliefen sich auf 300 Millionen Euro. Außerdem gebe es kaum eine Vernetzung zwischen den Gebietskörperschaften und Organisationen. Im Rahmen der “Taskforce” sollen daher auch die gesetzlichen Änderungen ausgearbeitet werden, damit es in Zukunft einen automatisierten Datenaustausch gibt.

FPÖ-Innenminister Kickl hat “Taskforce” längst geschaffen

Nun alles der Reihe nach. Eingangs muss festgehalten werden, dass es eine solche “Taskforce Sozialleistungsbetrug” bereits gibt (T-SOLBE). Sie wurde vom damaligen Innenminister Herbert Kickl ins Leben gerufen. Und sie war zuletzt in Salzburg äußerst erfolgreich. 62 Fälle wurden zur Anzeige gebracht. Aufgedeckt wurden Betrügereien in den Bereichen der Mindestsicherung, der Grundversorgung, des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, des Sozialversicherungsgesetzes bis hin zum Europäischen Sozialfonds (EU Förderungsbetrug). Der Gesamtschaden durch hinterzogene Sozialleistungsbeträge belaufe sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf 1.010.336,44 Euro zum Nachteil der Republik Österreich und insbesondere des Bundeslandes Salzburg.

Dass Kickl die Einheit ins Leben gerufen hat und sie längst aktiv ist, blieb freilich unterwähnt. Auch der Tageszeitung Heute, die nun begeistert über den ÖVP-Vorstoß berichtet, dürfte die Sondereinheit vollkommen entgangen sein … Die freiheitliche Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch jedenfalls klärte mit einem Pressedienst auf, was Sache ist: „Die ÖVP hat die letzten Monate geschlafen!“

Thema Familienbeihilfe ins Ausland

Was die 130.000 Kinder betrifft, die im Ausland leben und für die Österreich Familienbeihilfe bezahlt, verwechselt die ÖVP Äpfel mit Birnen. Die Familienbeihilfe ist zwar keine Sozialversicherungsleistung, aber nur bedingt eine Sozialleistung. Dass Kinder im Ausland Familienleistungen erhalten, liegt an dem Umstand, dass es entsprechende EU-Gesetze gibt. Österreich muss Familienleistungen für Kinder ins Ausland überweisen, wenn einer der beiden Elternteile in Österreich lebt und einer der beiden Elternteile arbeitet oder einen Rentenanspruch hat. Es muss nicht jener Elternteil sein, der in Österreich lebt. Unterschiedliche Rangfolgen regeln, ob Österreich die volle Familienleistung oder eine geringere Differenzzahlung überweisen muss.

Brandstifter ÖVP ruft die Feuerwehr

Die Kontrolle führen die Finanzämter durch. Dass die ÖVP nun eine “Taskforce” fordert, die Familienleistungen überprüfen soll, ist angesichts ihrer Rolle im Finanzministerium, das die Schwarzen überwiegend besetzt haben, eine Farce. Laut einem Rechnungshofbericht dauerte die Überprüfung, ob für ein Kind im Ausland ein Anspruch auf Familienleistungen aus Österreich besteht, durchschnittlich 111 Kalendertage. 26 Tage dauert hingegen die Überprüfung von Anträgen für Kinder, die in Österreich leben. Obwohl die Anzahl der zu überprüfenden Fälle zunahm, gingen im Zeitraum 2012 bis 2016 die in den Finanzämtern eingesetzten Personalkapazitäten um sechs Prozent zurück, womit es zu Arbeitsrückständen kam. Letztendlich gab es einen Erlass, der eine Verringerung der Kontrollintensität in Bereichen vorsah, die das Bundesministerium für Finanzen als weniger risikogeneigt einschätzte.

Das heißt zusammengefasst: Die ÖVP will eine “Taskforce” einrichten, obwohl sie zuvor im Finanzamt – trotz steigender Überprüfungsfälle – weniger Personal einsetzte und auch die Kontrollen entschärfte. Hier ruft der Brandstifter nach der Feuerwehr.

FABIAN noch immer nicht einsatzbereit

Die Überprüfung von Familienleistungen für Kinder im Ausland erfolgt nicht elektronisch, sondern in Papierform. Seit 2003 arbeitet das Finanzamt am IT-Programm FABIAN, das vor allem das veraltete Programm DB7 ablösen soll. Bis heute ist es nicht einsatzbereit, sondern soll erst 2020 seinen Dienst aufnehmen.

Abgesehen davon verpflichtet die EU die 32 zuständigen Staaten, die untereinander und grenzüberschreitend Leistungen der sozialen Sicherheit bezahlen müssen, sich elektronisch zu vernetzen. Diesbezüglich gibt es das elektronische Datensystem EESSI.

Österreich hat sich angebunden, ebenso wie Slowenien. Allerdings hätten sich auch alle anderen Staaten bis Juli dieses Jahres anbinden müssen, was aber nicht getan wurde. Obwohl die Mitgliedstaaten mehrere Jahre Zeit hatten, sich an EESSI anzubinden, gibt es nun einen Beschluss, der den Staaten einen flexiblen Einstieg – und somit ohne Frist – ermöglicht. Anders gesagt: Staaten können sich bis zum St. Nimmerleinstag Zeit lassen, sich an EESSI anzubinden.

Österreich hat automatisierten Datenaustausch

In Sachen Überprüfung der Familienbeihilfe wäre daher eine “Taskforce” auch unzuständig. Und auch sonst kann man sich nur über die Forderung der ÖVP nach einem automatisierten Datenaustausch nur wundern. Einen solchen gibt es auch ohne FABIAN in anderer Form. Zuständig ist der Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger. Und dieser hat EGDA.Web, das an EESSI angebunden ist. An EGDA.Web sind wiederum sämtliche Träger angebunden (auch die Finanzämter), womit es auch die Vernetzung und einen automatisierten Datenaustausch gibt. Die ÖVP propagiert also etwas, das es schon gibt. Sie hätte sich nur an den Vorstandsvorsitzenden des Hauptverbandes, Alexander Biach, wenden müssen, der aber bei Sebastian Kurz in Ungnade gefallen ist.

Was den E-Card-Missbrauch betrifft, sei daran erinnert, dass diese künftig mit einem Foto ausgestattet werden. Die FPÖ hat auch hier mit einer langjährigen Forderung Akzente gesetzt, um Missbrauch zu unterbinden.

ÖVP gegen Aufstockung der Finanzpolizei

Noch ein Detail soll erwähnt werden. Die Freiheitliche Belakowitsch schrieb in ihrer Aussendung zur “Taskforce”, dass einer der Schwerpunkte der Ermittlungen für die T-SOLBE-Beamten das Thema Gastgewerbe-Saisonniers war/ist. So werden viele ausländische Gastgewerbemitarbeiter nach Ende der Saison bei der Sozialversicherung abgemeldet, sie bleiben jedoch mit ihrem Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet und sind dadurch zum Bezug von Arbeitslosengeld berechtigt. Tatsächlich würden sich die betroffenen Personen aber bis zum nächsten Saisonstart nicht mehr in Österreich befinden, sondern oftmals in ihren Heimatländern. Ein Sozialbetrug, dem Herbert Kickl als Innenminister entschieden den Kampf angesagt hatte, so Belakowitsch.

Der schwarze Abgeordnete Gabriel Obernosterer hingegen nahm die Unternehmer in Schutz und kritisierte mehrmals die Verdoppelung des Personals bei der Finanzpolizei. „Was wir auf keinen Fall brauchen, sind noch mehr Beamte“, ließ er ausrichten. Fehlt nur noch, dass ÖVP-Kurz nun demnächst eine Aufstockung der Finanzpolizei fordert. Nun, heute ist der erste Schultag. Für Sebastian Kurz heißt es wohl am besten: „nicht genügend, setzen!“

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