Eike Hamer, Herausgeber von Wirtschaft aktuell und Vorstandsmitglied des Mittelstandinstituts Niedersachsen, bekannte sich in seinem Vortrag bei der Euro-Konferenz in Berlin zur liberalen Marktwirtschaft. Seine Frage lautete nicht, ob direkte Deregulierungen schuld an der gegenwärtigen Krise wären. Er verfolgte einen ungewöhnlicheren, aber dennoch nicht von der Hand zu weisenden Ansatz.
Hamers Ansicht nach leben wir nämlich nicht in einer Markt-, sondern einer Machwirtschaft. Die ordoliberalen Grundsätze sozialer Marktwirtschaft unter der Federführung Ludwig Erhards gehören längst der Vergangenheit an. Eine der vergangenen Prämissen lautete, die Entstehung von Oligopolen zu verhindern und bestehende Kartelle zu zerschlagen.
Subventionen nutzen Großkonzernen und schaden dem Mittelstand
Maßlose Subventionspolitik machte Großkonzerne von Nettozahlern zu Nettoempfängern. Diese einseitigen Förderungen schädigten die relative Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes und führten zu einseitiger Verteilung von Marktmacht in wichtigen Bereichen entwickelter Ökonomien. Übermäßige Marktmacht verhilft Konzernen nicht nur zu dementsprechend üppigen Profiten, sondern verleiht deren Management gleichzeitig politischen Einfluss.
Der Autobauer Opel stellt ein aktuelles Beispiel dar. Die Modelle des traditionsreichen Herstellers fanden auf Nachfragerseite über Jahre hinweg kaum Anklang. Man erzeugte Produkte, für die kein ausreichend großer Markt vorhanden war. Gleichzeitig wurden keine notwendigen, wenn auch drastischen betriebswirtschaftlichen Anpassungsmaßnahmen wie etwa Werksschließungen vorgenommen. Nach Ausbruch der Finanzkrise und deren Übergreifen auf die Realwirtschaft rächte sich dieses Versäumnis. Der Konzern wurde vom Abschwung erfasst und stand gemeinsam mit dem maroden Mutterkonzern General Motors kurz vor dem Abgrund. Das Management rief reflexartig nach Finanzspritzen, und einzig Thilo Sarrazin traute sich – wenn auch gewohnt pointiert – zu widersprechen. „Niemand braucht einen Opel.“
Finanzbranche droht und wird sofort gerettet
Doch unrecht hat der mittlerweile pensionierte Bundesbanker nicht. Automobilkonzerne, die vor der Krise, vernünftig wirtschafteten, wie zum Beispiel Volkswagen, haben die Krise dank staatlich subventionierter Kurzarbeit weitgehend unbeschadet überstanden. Einer ähnlichen Argumentation wie Opel bediente sich die Finanzbranche. Der Bereich sei systemrelevant und dürfe – Spekulation hin oder her – nicht fallen gelassen werden. Ansonsten drohe der Bailout der Weltwirtschaft. Vergleiche mit der Situation des Jahres 1929 waren allgegenwärtig. Über den ganzen Erdball hinweg übernahmen Regierungen ungeachtet aller damit verbundenen Inflationsgefahren die Rolle des großen Kreditgebers. Gewaltige Bankenrettungspakete wurden – noch bevor sich Widerstand formieren konnte – durch die Parlamente gepeitscht.
Das Bankwesen triumphierte über die Demokratie, und das nicht zum ersten Mal, wie Professor Karl Albrecht Schachtschneider im Rahmen der Konferenz in seinem vorangegangenen Beitrag ausführte. Für Banken und transnationale Konzerne gelten die Gesetze der Ökonomie vorläufig nicht mehr. Wie Hamer erklärte, werden die milliardenschweren Liquiditätsspritzen und die damit einhergehenden Defizite den Mittelstand immer weiter ausdünnen. Irgendjemand muss die Rechnung schließlich begleichen. Doch gerade dieser geschundene Mittelstand garantiert vier von fünf Arbeitsplätzen. Zudem weisen mittelständische Betriebe eine wesentlich geringere Standortflexibilität auf. Sie wandern somit selten in Niedriglohnländer ab.
Demokratie verkommt zur Finanzdiktatur
Es handelt sich für Hamer um eine Frage von Sein oder Nichtsein der deutschen Wirtschaft und damit unseres Wohlstandes. Die Machtakkumulation der Banken und Großkonzerne ermöglicht es diesen nicht nur, die Politik am Gängelband zu führen, was die Demokratie langsam zu einer Finanzdiktatur umformt. Global agierende Konzerne und Finanzinstitute treiben Volkswirtschaften und mit ihnen die betroffenen Gesellschaften zum Zweck der Gewinnmaximierung und rekordverdächtiger Dividendenausschüttungen langsam in den Untergang.
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