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30. Oktober 2010 / 11:00 Uhr

Entwicklungshilfe: Milliardenindustrie ohne erkennbaren Nutzen

Ein Vorfall in der Demokratischen Republik Kongo wirft erneut ein Schlaglicht auf die Entwicklungshilfe – inzwischen politisch korrekt Entwicklungszusammenarbeit genannt. Einmal mehr stellt sich die Frage, ob Entwicklungshilfe in der momentanen Form überhaupt sinnvoll ist oder vielleicht sogar mehr schadet als sie nutzt.

Die „Gesellschaft für technische Zusammenarbeit GTZ“ ist eine der größten deutschen Entwicklungshilfegesellschaften und betreut fast alle deutschen Projekte in der Demokratischen Republik Kongo, einem Schwerpunktland der deutschen Entwicklungshilfe. 1994 bestellte die GTZ bei einem einheimischen Geschäftsmann eine Ladung Holz, die aber nie vollständig geliefert wurde. Die GTZ bezahlte nicht den vollen Preis sondern nur für das auch tatsächlich gelieferte Holz. Der Geschäftsmann klagte vor einem kongolesichen Gericht und bekam Recht. Erstaunlicherweise wurde die Summe von dem Gericht sogar noch in die Höhe getrieben, aus ursprünglichen 300.000 wurden 1,5 Millionen Dollar. Die GTZ-Sprecherin musste zugeben, dass „Gerichtsklagen im Kongo zu einem einträglichen Geschäft“ geworden sind.

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Trotz Milliarden an Entwicklungshilfegeldern sinkt der Lebensstandard

Angesichts grassierender Korruption selbst in unseren Breiten erscheinen derartige Vorgänge nicht besonders außergewöhnlich. Kritiker sehen darin aber einen weiteren Hinweis, dass Entwicklungshilfegelder mehr Schaden anrichten als sie Nutzen bringen. Während einige Entwicklungsländer wie Indien und China längst auf die Überholspur gewechselt sind, stagniert vor allem die als Subsahara bezeichnete Region des südlichen Afrika. Laut dem Ökonomen William Easterly flossen seit der Entkolonialisierung etwa 2,3 Billionen Dollar an Entwicklungshilfe, 450 Milliarden gingen nach Afrika. Milliarden, die offensichtlich wenig bewirkt haben.

Herbe Kritik an Entwicklungshilfe

James ShikwatiDementsprechend fällt auch die Kritik an der bisherigen Form der Entwicklungshilfe aus. Easterly, der von 1985 bis 2001 für die Weltbank arbeitete, weist in seinem Buch „The White Man`s Burden“ nach, dass Entwicklungshilfe in keinerlei Verhältnis zum Wirtschaftswachstum eines Landes steht. In Afrika sei sogar das Gegenteil der Fall: je mehr Entwicklungshilfe desto niedriger das Wirtschaftswachstum. Noch weiter geht der kenianische Wirtschaftswissenschafter James Shikwati (Bild links), der ein völliges Ende der Entwicklungshilfe fordert.

Selbständig wirtschaften statt korrupte Eliten fördern

Durch die Milliarden aus dem reichen Norden werden seiner Ansicht nach nur die völlig korrupten Eliten Afrikas gefördert, ohne dass das Geld den Menschen wirklich zugute kommt. Der ugandische Ökonom Andrew Mwenda stößt in das gleiche Horn. Uganda (im Bild unten Präsident Yoweri Museveni) hat 69 Minister, 109 Präsidentenberater und 60 Botschafter – bei 15 Vertretungen im Ausland. Allein die Entwicklungshilfe erhalte diesen riesigen Apparat aus Günstlingen am Leben. Beide Wissenschafter sind sich außerdem einig, dass der stetige Geldregen das Entstehen tragfähiger eigenständiger Wirtschaftssystem verhindert. Yoweri Museveni, Präsident von UgandaNur wenn die afrikanischen Staaten gezwungen werden, mit ihren eigenen Ressourcen haushalten zu lernen, könnten sich eigene Ökonomien entwickeln. Auch die regelmäßigen Schuldenerlässe seien das falsche Signal: „Ein Schuldenerlass gibt die falschen Anreize, er belohnt schlechtes ökonomisches Verhalten und schafft eine Kultur der Verantwortungslosigkeit“, sagt Andrew Mwenda.

Entwicklungshilfe als Treibstoff für Bürgerkriege

Auch in einem anderen Punkt wirkt sich Entwicklungshilfe äußerst negativ aus. Wie kein anderer Kontinent wird Afrika seit der Unabhängigkeit von Revolten, Bürgerkriegen und Stammesfehden verheert. Staatliche Streitkräfte sind oftmals eher ein Instrument, die eigene Bevölkerung zu unterdrücken denn vor äußeren Feinden zu schützen. Neben offiziellen Armeen, die meist direkt von Entwicklungshilfe profitieren – die Verteidigungsbudgets afrikanischer Staaten sind in der Relation unverhältnismäßig hoch –, ziehen Rebellen über Umwege großen Nutzen aus der Hilfe von außen. Einerseits werden regelrecht Wegzölle von Entwicklungshelfern verlangt, wenn diese ihre Hilfsgüter an den Bestimmungsort transportieren wollen. Andererseits gelangt ein Großteil der Versorgungsgüter direkt in die Hände der Aufständischen. So können sie ihre Kämpfer versorgen oder die Güter verkaufen und mit dem Erlös ihren Krieg finanzieren. Ohne Entwicklungshilfe wären die beteiligten Kriegsparteien kaum in der Lage, längere Waffengänge finanziell durchzustehen. Der deutsche Politikwissenschafter Herfried Münker beschreibt dies in seinem Buch „Die neuen Kriege“ treffend: „Die Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen und die humanitären Nichtregierungsorganisationen sind damit … zu einem festen Bestandteil der Bürgerkriegsökonomien geworden.“

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Kindersoldaten im östlichen Kongo. Geld und Güter der Entwicklungshilfe landen oft direkt bei Rebellengruppen.

Entwicklungshilfe als Wirtschaftszweig

Nicht nur afrikanische Kämpfer und korrupte Potentaten profitieren von der Entwicklungshilfe. Ein Heer von Entwicklungshelfern verdient sein Geld damit. Westliche Popstars, Unternehmer und Ex-Politiker reisen von Event zu Event, um Millionen an Geldern aufzutreiben – Entwicklungshilfe ist zu einem riesigen Wirtschaftszweig geworden – riesig und anscheinend wenig effizient. Allein die Vereinten Nationen erleiden auf Grund der schlechten Koordination ihrer Unterorganisationen Einbußen in der Höhe von sieben Milliarden Dollar pro Jahr.

Neue Wege für Afrika?

Nach fünf Jahrzehnten fehlgeschlagener Entwicklungshilfe wäre es an der Zeit, neue Wege zu beschreiten und auf jene afrikanischen Intellektuellen zu hören, die wie Shikwati und Mwenda ein Ende des Geldregens von außen fordern. Könnte dies Afrika noch weiter destabilisieren? Denkt man an die steigende Zahl der gescheiterten Staaten und an Regierungen, die ihre einzige Aufgabe im Verschwenden von Entwicklungshilfe sehen, dann wohl kaum. „Derzeit ist Afrika wie ein Kind, das immer gleich nach seinem Babysitter schreit, wenn etwas schief geht. Afrika sollte auf eigenen Füßen stehen.“ meint Shikwati. Die Industrieländer sollten dem Kontinent die Chance geben, erwachsen zu werden.

Fotos: Eric (HASH) Hersman, White House (Paul Morse), L. Rose (alle bei Wikimedia)

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