Vorbild Schweiz? Bei aller Kritik seitens Menschenrechtsorganisationen kann man unseren Nachbarn eines nicht vorwerfen: Dass sie keine klaren Regeln haben, was den Umgang mit dem Bleiberecht angeht. Und in Österreich? Hier gäbe es zu wenig Rechtlichkeit und zu viel Gnade, sagt der frühere Präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), Karl Korinek.
Während die heimischen Politiker an den Regelungen ständig herumdoktern oder zu heißen Themen wie zum Bau von Minaretten nichtssagend argumentieren, gibt es in der Schweiz klare Richtlinien und Aussagen: Bereits im Vorjahr entschied die Mehrheit des Volkes für ein Verbot des Baus von Minaretten. Und heuer veordnete sich die Schweiz das schärfste Ausländergesetz Europas. Bei einem Referendum stimmten 52,9 Prozent der Wähler dafür, Kriminelle künftig in ihre Heimatländer abzuschieben. Waren es bisher zwischen 350 und 400 Menschen, die jedes Jahr aus der Schweiz ausgewiesen wurden, so rechnet die Schweizer Volkspartei (SVP) in Zukunft mit 1500. Grund: Der Ausländeranteil hat derzeit mit über einem Fünftel der Wohnbevölkerung von knapp acht Millionen Menschen den höchsten Wert in der Geschichte des Landes erreicht. 70 Prozent der Strafgefangenen sind Ausländer.
Foto: Parlamentdirektion / Mike Ranz
Das Land Schweiz ist da durchaus vergleichbar mit Österreich. Doch hier passiert nichts. Im Gegenteil: Selbsternannte „Gutmenschen“ schieben neuerdings Kinder vor, um Aschiebungen zu verhindern. Der Fall Zogaj ist der bekannteste. Karl Korinek sagt dazu in einem APA-Interview: Es sei unangenehm, dass man zunehmend den Eindruck gewinnt, Menschen dürften in Gnadenerweisung bleiben. Schließlich könne bei einer Straftat auch nicht der Bundespräsident entscheiden, wie lange die Leute sitzen, „das muss klar im Urteil stehen!“
Zustand der Rechtsordnung „sehr schlecht“
Ingesamt rechnet Korinek mit der jetzigen Bundesregierung ab, indem er einmal mehr eine bessere Qualität der Rechtsordnung einmahnt. Auch in Zusammenhang mit der Verwaltungsreform. Schlechte Gesetze verursachten Leerläufe und Kosten in der Verwaltung, sagte Korinek. Für die Verwaltungsreform wäre mutigeres Vorgehen nötig – und nicht nur „Reformen dort, wo man keine Widerstände erwartet“. Bei der Briefwahl hielte Korinek eine stärkere Beschränkung für geboten.
Briefwahl „sehr missbrauchsanfällig“
„Am besten wäre es, die Briefwahl nur subsidiär zuzulassen“ – also dort, wo es notwendig ist, um die Allgemeinheit der Wahl (die Teilnahmemöglichkeit für alle) sicherzustellen. Auslandswähler oder Menschen mit Behinderung müssten diese Möglichkeit haben. „Die Regel sollte aber das persönliche Wahlrecht sein“, meinte Korinek, wohl wissend, dass es dafür derzeit keine Mehrheit gibt.
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Aber die Briefwahl sei „sehr missbrauchsanfällig“, wie die Vorfälle im Burgenland oder in Lienz gezeigt hätten. Mit „zwingender Identitätskontrolle“ bei Antrag und Übergabe der Wahlkarte wäre dies zwar einzudämmen. Doch andere Gefahren bestünden weiter. Es könnte wieder, wie in den ersten Jahrzehnten des Wählens, zu „Stimmenkauf“ kommen – und der „beherrschende pater familias“ habe es leichter, Einfluss zu nehmen.