Guido Westerwelle gibt den Chefsessel der FDP nicht freiwillig auf, so richtig vehement verteidigt hat er ihn aber auch nicht. Eine lauwarme Rede ohne Höhepunkte und Überraschungen konstatieren Medien nach Westerwelles Dreikönigsauftritt. Der Parteivorsitzende und Außenminister war zuletzt innerparteilich heftig unter Druck geraten, zumal die FDP in bundesweiten Umfragen nur noch bei rund fünf Prozent und damit genau an der Grenze zwischen Sein und Nichtsein liegt.
Kommentar von Alexander Höferl
Das ist eine reife Leistung, hatten die Liberalen doch vor etwas mehr als einem Jahr noch fast 15 Prozent bei der Bundestagswahl erreicht und damit trotz einer schwächelnden Union die schwarz-gelbe Regierung ermöglicht. Seither läuft es nicht mehr so richtig
Foto: Liberale / flickr
Dabei hatte der FDP-Chef gar nicht so schlecht begonnen. Ganz im Sinne einer liberalen Partei, die schon aus ihrem Selbstverständnis heraus die Sinnhaftigkeit einer allzu engmaschigen sozialen Hängematte bezweifeln muss, verlangte Westerwelle Leistung auch von den Hartz-IV-Empfängern, die er zu zumutbarer Arbeit verpflichten wollte, etwa zum Schneeschippen in Berlin. „Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein“, formulierte er pointiert.
Medienschelte zeigte Wirkung
Da war Schicht im Schacht. Mit solch markigen Sprüchen ist in der Bundesrepublik Deutschland schon eine Grenze überschritten. Die Medien warfen sich selbst Westerwelle zum Fraß vor. Da nutzte auch die Homosexualität nichts mehr – ganz im Gegenteil: Plötzlich stand Westerwelles Partner im Blickfeld, weil er – seinen Guido auf Auslandsreisen begleitend – Geschäfte angebahnt haben soll. Westerwelle verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und wurde blitzartig wieder rhetorisch zahm, fand zurück ins politische System Deutschlands, das Ausreißer nur nach links toleriert.
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Die wiedergefundene Durchschnittlichkeit aber ist es, die der Partei die Krise eingebrockt hat. Der selbst jeder neuartigen Politik entsagende Thilo Sarrazin hat mit seinen Anstößen in der Zuwanderungsdebatte eine hungrige Menge politisch Interessierter definiert, die neue Wege sucht. Wenn Westerwelle auf Kurs geblieben wäre, hätte er vielleicht die Chance gehabt, zumindest einen Teil dieser Wähler zu gewinnen. Aber er versagte.
Westerwelle wieder auf Medien-Linie
Dafür wird er langsam wieder zum Liebkind der Medien. Die link(sliberal)e Wochenzeitung „Die Zeit“ streut ihm und der ganzen FDP in ihrer aktuellen Ausgabe Rosen. „Was für eine Partei! Seit Monaten schon krebst die FDP in Umfragen an der Fünfprozenthürde herum, ihr Einfluss schwindet, das Personal ist unbeliebt, und in diesem Jahr drohen ihr sieben Landtagswahlen. Trotzdem macht die FDP keine Anstalten, das populistische Potenzial, das sich im letzten Jahr zeigte und das auf zehn Prozent geschätzt wird, für sich zu nutzen. Hut ab vor der FDP-Führung!“ hebt Bernd Ulrich zu einem Huldigungs-Kommentar an, und spätestens mit folgender Formulierung wird klar, dass er ernst meint, was er schreibt, und Westerwelle nicht veräppeln will: „Die Liberalen leisten mit diesem Verzicht genauso viel für das Gemeinwohl, für das multikulturelle Deutschland und die europäische Integration, wie die SPD es mit ihrer Agenda 2010 für die Reformfähigkeit des Landes tat.“
Wir halten also fest: Die Selbstausschaltung der FDP ist ein Opfer für ein Multikulti-Deutschland in einem integrierten Europa. Und konstatieren weiter: Weltfremder als die liberale FDP ist nur die liberale Presse.