Freilich, jeder Staat in Europa hat derzeit hart zu knabbern an „seinen“ Banken. Fast alle wankten sie m Zuge der Finanzkrise und mussten mit Milliarden Euro an Steuergeld und noch viel größeren Haftungen wieder fit gemacht werden. Aber Irland ist eine andere Dimension. Auf der grünen Insel wurden Banken angelockt, sich in einem eigens geschaffenen Zockerparadies breit zu machen – mit wenig Steuern und noch weniger Regeln für das Bankgeschäft. Was jahrelang vertuscht wurde, machten jetzt irische Medien publik – mithilfe eines anonymen Informanten, der für die Dubliner Tochter der UniCredit tätig war.
Klarer Regelbruch blieb ohne Folgen
Das irische „Village Magazine“ berichtet ausführlich über den symptomatischen Fall. Im Sommer des Jahres 2007 stellte ein erfahrener Risikomanager fest, dass sein Arbeitgeber – die irische Tochter der italienischen UniCredit – dramatisch gegen die Liquiditätsregeln verstoße. Diese sehen vor, dass zu jedem Zeitpunkt die prognostizierten Einzahlungen mindestens 90 Prozent der prognostizierten Auszahlungen betragen müssen. Der Risiko-Manager errechnete allerdings nur 75 Prozent, manchmal gar nur 65. Dabei wäre bereits eine Abweichung um nur ein Prozent vom Zielwert meldepflichtig gewesen und hätte zu Untersuchungen durch die Regulierungsbehörde führen müssen.
Seltsames Motto einer Bank mit seltsamen Praktiken.
Foto: nEmoGruppo / flickr
Die erwies sich allerdings als ausgesprochen träge, selbst als auf Druck des Risikomanagers einmal ein Bericht über eine Abweichung an sie übermittelt wurde. Man ließ sich schnell beschwichtigen, dass es sich um eine Ausnahme gehandelt habe, die nie wieder aufgetreten sei, und verzichtete auf eingehende Untersuchungen. Der Risikomanager kündigte schließlich, weil er nicht ständig gegen geltende, wenn auch nicht exekutierte Gesetze verstoßen wollte, und sieht sich nun Klagsdrohungen der UniCredit gegenüber, die ihn davor warnt, die Geschichte weiter zu verbreiten. Anwälte der Bank äußerten sich ähnlich und bezeichneten die Vorwürfe gegenüber dem Village Magazine als empörend, das dennoch als erstes Medium den Namen der Bank abdruckte. Die „Irish Times“ hatte zuvor mehr Respekt vor der großen Bank und ihren trickreichen Anwälten. Dort zog man sich trotz eingehender Recherche auf den Standpunkt zurück, der ehemalige Risikomanager solle erst selber in die Öffentlichkeit gehen, bevor das Blatt die Sache weiter verfolgen würde.
Kaum Unterstützung von Politik und Medien
Die Verwertung der Informationen aus dem Inneren der irischen UniCredit geht auch politisch nur zögerlich voran. In Irland trauen sich selbst Oppositionspolitiker nicht so richtig heran an den Bankenskandal, der im wesentlichen der Skandal einer völlig versagenden Bankenregulierung war. Ein prominentes Mitglied einer der Oppositionsparteien sagte dem ehemaligen Risiko-Manager laut Village Magazine: "Wir können es uns nicht leisten, diese Geschichte aufzudecken. Wir haben jetzt schon genug Probleme um die Ohren, wenn wir an die Macht kommen". Der unabhängige Senator David Norris ist der Einzige, der auf Basis der Geschehnisse immerhin unangenehme Fragen an den Finanzminister stellt.
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Das mangelnde Interesse von Politik und Medien ist das Eine, die Ignoranz der Regulierungsbehörde das Andere. Selbst der neue Chef-Regulator Matthew Elderfield – der Posten wurde als Reaktion auf die Bankenpleiten neu besetzt – spielt die Vorgänge herunter und zieht sich – wie seine Vorgänger – auf den Standpunkt zurück, dass es sich nur um eine Übernacht-Verletzung der Liquiditätsregeln gehandelt habe. Eine derart eklatante Verletzung, hält Village entgegen, sei aber undenkbar ohne ein Systemproblem.
Plädoyer für starke, vernetzte Bankregulierung
Der Artikel schließt mit einem Appell, endlich eine starke Bankenregulierung zu schaffen, die auch an den eigenen Staatsgrenzen nicht halt macht: „Eines ist sicher in einer Zeit, wo das Bankensystem so eng miteinander verknüpft und so zerbrechlich geworden ist: Das Schweigen der nationalen Regulierungsbehörde über zweifelhafte Praktiken der Banken ist unhaltbar und gefährlich. Die europäischen Regulierungsbehörden und ihre US-Kollegen müssen wissen, was mit der UniCredit in Dublin und anderswo los ist. Auch Deutschland hätte erfahren müssen, wie die Aufsichtsbehörde in Irland mit der DEPFA verfuhr. Die irischen Steuerzahler müssen wissen, wer Geld in der ehemaligen Anglo Austria angelegt hat, und wir alle könnten etwas mehr Aufklärung über die immer wiederkehrenden Umtriebe der päpstlichen Bank vertragen. In einer Welt, wo Geld von einem Augenblick zum anderen transferiert werden kann, sind alle Banksysteme miteinander eng verflochten. Es ist sinnlos, wenn die nationalen Regulierungsbehörden ihren Horizonte verengen, um ‚ihre eigenen’ Banken dadurch in Schutz zu nehmen.“
Graf mit Anfrage zu Kontrollen in Österreich
In Österreich ist der Fall der irischen UniCredit, der wohl beispielhaft für die Verfehlungen zahlreicher irischer Banken steht, nun Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage des FPÖ-Abgeordneten Martin Graf mit dem Titel „UniCredit als Mitverursacher der irischen Finanzkrise“. Er will von Finanzminister Pröll wissen, wie in Österreich die Liquiditätsvorschriften für Banken sind, welche Aufzeichnungen darüber geführt werden müssen, in welchen Abständen Banken diesbezüglich kontrolliert werden und wann bzw. mit welchen Ergebnissen die Bank Austria in den letzten zehn Jahren überprüft wurde, denn – so Graf gegenüber Unzensurert.at: „Wenn der irischen Tochtergesellschaft der UniCredit derart grober Verstöße vorgeworfen werden, so ist es nicht auszuschließen, dass Ähnliches bei der österreichischen Tochter vorgefallen ist.“