Polygamie, Zwangsverheiratungen und Kinder-Ehen sind dem offiziellen EU-Beitrittskandidaten Türkei nicht unbekannt, obwohl das gerne bestritten wird. Jetzt belegt eine wissenschaftliche Untersuchung der Hacettepe-Universität in Ankara allerdings die Gültigkeit dieser Aussagen.
Foto: Caucas / flickr
Die Studie für die Gleichstellungskommission des Parlaments zeigt, dass jede siebente türkische Frau bei ihrer Hochzeit minderjährig ist. 5,5 Millionen Bräute sind bei ihrer Eheschließung noch keine 18 Jahre alt. Zwar liegt das gesetzliche Mindestalter für die Verheiratung in der Türkei bei 16 Jahren, vor allem aber in den ländlichen Teilen des Landes werden zahlreiche Mädchen von ihren Familien schon früher verheiratet. Diese Praxis scheint auch vor höchsten Kreisen nicht halt zu machen. Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül (AKP) nahm 1980 seine Cousine im Alter von 15 Jahren zur Frau. Religiöses Vorbild dürfte dabei der Prophet Mohammed sein, der seine Frau Aischa ebenfalls in sehr jungen Jahren zur Frau nahm.
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Aus der Studie geht weiters hervor, dass bei etwa jeder fünften der insgesamt 35,6 Millionen Frauen die Familien den Ehemann auswählen. Bei 2,1 Millionen Hochzeiten wurde ein Brautgeld ausgehandelt. Rund 1,7 Millionen Ehen werden zwischen engen Verwandten geschlossen, meist zwischen den Neffen und Nichten der eigenen Eltern. Laut der Untersuchung nimmt die Zahl dieser Art von Ehen mit steigendem Bildungsgrad allerdings stark ab. Annähernd eine halbe Million Türkinnen sind nur nach islamischem Ritus mit ihren Männern verheiratet. Diese so genannten „Imam-Ehen“ sind rechtlich nicht anerkannt, aber im armen Ostanatolien sehr verbreitet. Viele Frauen in solchen Lebenspartnerschaften haben keine oder nur eine geringe Schulbildung.
Fast 200.000 Fälle von Polygamie bekannt
Und es gibt im ganzen Land etwa 187.000 Fälle von Polygamie. Trotz eines bestehenden Verbots der Vielehe nehmen sich Männer eine Zweitfrau. Grund dafür sei vor allem der unerfüllte Wunsch nach einem Sohn.
Die Autoren der Studie von der Hacettepe-Universität in Ankara fordern nun die Politik auf, gegen Missstände wie Kinder-Hochzeiten, Zwangsehen und Vielehen vorzugehen.