Ungefähr um Mitternacht startete eine US-Spezialeinheit einen Schlag gegen Al-Kaida-Anführer Osama bin Laden. Dessen Leiche wurde bereits um 9.45 Uhr MEZ auf See bestattet, um eine islamistische Pilgerstätte zu verhindern. Damit wurde ungefähr vier Monate vor dem zehnten Jahrestag von „9/11“ ein Kapitel beendet, aber keineswegs ein Buch geschlossen.
Foto: ssoosay / flickr
Den folgenden Zeilen liegt die Annahme zu Grunde, dass es sich bei dem abgebildeten Toten, der plötzlich wieder jugendlich-schwarzhaarig ist, tatsächlich um Osama bin Laden handelt. Zweifel daran werden wohl nie ganz ausgeräumt werden können, auch wenn die CIA angeblich biometrische Methoden anwandte und die DNS sicherstellte.
Überrascht hat der Aufenthaltsort, nämlich nicht wie immer angenommen irgendwo im Hochgebirge des afghanisch-pakistanischen Grenzgebietes, sondern auf einem Luxusanwesen in Abbottabad, nur 115 km nördlich der Hauptstadt Islamabad. Das zeichnet einmal mehr kein beruhigendes Bild vom Atomwaffenstaat Pakistan, dessen säkulare, mit den USA verbündete Oberschicht sich trotz aller Brutalität nur mehr mühsam gegen die Millionen Taliban-Sympathisanten behaupten kann. Jene Islamisten, die am 2. März 2011 Shabaz Bhatti, den einzigen christlichen Minister Pakistans ermordeten, lassen nach der heute erleichterten bis freudigen Reaktion in USA, Israel, BRD usw. einiges an Gewalt erwarten.
9/11: Als der Krieg nach Amerika kam
Die am 11. September 2001 in New York einstürzenden Zwillingstürme des World Trade Centers markierten einen geschichtlichen Meilenstein. Zuvor war Samuel Huntingtons These von einem sich abzeichnenden Zusammenkrachen von muslimischer und westlicher Welt eine müde belächelte Verschwörungstheorie (Kampf der Kulturen: Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert).
Foto: Josh Pesavento (broma) / flickr
Wenn sich heute (7.25 Uhr MEZ) hunderte New Yorker am Ground Zero zu einer „Siegesfeier“ zusammenfanden, so ist das reines Wunschdenken. „Terrorist“ leitet sich vom lateinischen Wort für „Schrecken“ ab, und in diesem Sinne hat Osama bin Laden auf ganzer Linie gewonnen. Früher kannten die US-Amerikaner Krieg nur aus dem Fernsehen. In beiden Weltkriegen schickte man die Jugend der Slums nach Übersee, wo sie bereits jahrelang andauernde Kriege mit überlegener Bewaffnung für sich entschieden. Mit Bomben und Raketen wurde nach 1945 Weltpolizist gespielt. 9/11 war wie eine Vertreibung aus dem Paradies. Ein kurzes Kriegsfanal im pulsierenden Zentrum des eigenen Landes versetzte die US-Bevölkerung in einen Angstzustand, von dem auch Touristen immer noch ein Lied singen können.
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9/11 hat aber auch Europa verändert. Linke mussten einsehen, dass Islamismus keine Folge sozialer Ausbeutung durch den Westen ist (Bin Laden stammte aus einer schwerreichen Saudi-Familie). Und spätestens nach den fatalen Folgeanschlägen in London und Madrid begannen auch rechte Anti-Amerikaner darüber nachzudenken, ob es nicht vielleicht doch einen größeren Terror gibt als sich mehrende McDonald´s-Filialen und ob der „Feind meines Feindes“ automatisch immer ein Freund ist…