Der arabische Frühling bot der westlichen Welt und ihrer Berichterstattung eine perfekte Gelegenheit, das westliche Weltbild auf die rebellierenden Jugendlichen zu übertragen. Da Journalisten nur schwer Zugang zu den umkämpften Gebieten haben, stürzt sich die Welt auf die hochgelobten sozialen Netzwerke und erhebt die dort berichtenden Benutzer zu Ikonen – wie das lesbische Mädchen Amina Abdallah Arraf aus Syrien, das an der Front der Revolution für ihre Rechte und ihren nur allzu westlichen Lebensstil kämpft. Schade nur, dass sie vollkommen fiktional ist – die Erfindung eines 40jährigen bärtigen Amerikaners aus Schottland, der mit den bewegenden Berichten die Welt täuschte.
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Amina lebt in Damaskus, ihre Mutter ist Amerikanerin, sie spricht online über ihre gleichgeschlechtlichen intimen Erlebnisse, und hat sich von einer durchschnittlichen Bloggerin in eine Online-Aktivistin verwandelt, der der Sturz des "Diktators" sehr am Herzen lag: Ein Paradebeispiel für die Art von Jugendlichen, die von den westlichen Medien geradezu heraufbeschworen wurde. Kein Wunder, dass der gefälschte Blog von der ganzen Palette der amerikanischen Medienliga immer wieder thematisiert und zitiert wurde. Die Lügengeschichte gipfelte in einer angeblichen Verhaftung der Bloggerin, die von 15.000 ihrer Anhänger auf Facebook mit Erschrecken verfolgt wurde.
Tom MacMaster, der in Schottland lebende Langzeitstudent, wurde aufgrund eines von Facebook gestohlenen Fotos sowie netzwerktechnischer Hinweise, die den Blog zu seinem Aufenthaltsort zurückführten, enttarnt. Er entschuldigt sich öffentlich für das angerichtete Chaos – die Rebellen, die amerikanischen Bewegungen und selbst schwule Aktivisten aus dem nahen Osten nehmen seine Entschuldigung nicht an: Durch den Betrug habe er die Glaubwürdigkeit vieler Rebellen in Frage gestellt.