Zur großen Überraschung aller ausländischen Beobachter hatte das ägyptische Volk zu Beginn des Jahres 2011 endgültig genug von 30 Jahren Mubarak-Herrschaft. Innerhalb weniger Wochen gelang es den Massen auf dem Hauptplatz Kairos, dem mittlerweile emblematischen Tahrir („Platz der Befreiung“), den Präsidenten zu stürzen. Das Regime versuchte, sich mit dem Einsatz brutaler Gewalt zu retten, aber nach 800 Toten versagten die Generäle dem Präsidenten die Gefolgschaft und ließen ihn fallen.
Tahrir-Platz in Kairo zu Protesten gegen den Militärrat.
Foto: Gigi Ibrahim / flickr (CC BY 2.0)
Das Volk durfte naiverweise kurz annehmen, dass mit dem Sturz Mubaraks auch das Regime der Militärs zu Ende gehen würde. Eine Zeitlang sah es auch so aus, als ob dieser Traum Wirklichkeit werden könnte und dass eine zivile Regierung – nach einem komplizierten Wahlprozess, der am 28.11.2011 begann – die Macht übernehmen würde.
Aber eigentlich hätte es der „Generation Facebook“ klar sein müssen, dass dies nur eine Illusion war. Seit fast sechzig Jahren – nämlich seit dem Putsch der „Freien Offiziere“ unter Gamal Abdel Nasser im Jahre 1952 – beherrscht die ägyptische Armee alle Aspekte des Landes. Nicht nur kamen seither alle Präsidenten aus den Reihen der Offiziere, sondern auch die gesamte Wirtschaft untersteht der Armee oder Firmen der Armee.
Militär hält Zügel fest in der Hand
Als die Armeeführung unter Feldmarschall Tantawi zu Beginn des Jahres erkannte, dass ein Weiterverbleib von Mubarak die Stellung der Streitkräfte zu unterminieren drohte, handelten die führenden Generäle schnell und ließen ihren Mentor Mubarak fallen. Dieser hatte außer seinen Generälen und dem Sicherheitsapparat keinerlei weitere Unterstützung und sah sich daher gezwungen nachzugeben. Es war vorherzusehen, dass der Oberste Militärrat, der seitdem unter der Führung von Feldmarschall Tantawi die Geschicke Ägyptens lenkt, keineswegs daran denken würde, die Macht an eine zivile Regierung abzugeben. Auch die nunmehr stattfindenden Wahlen zum Parlament und später um das Präsidentenamt werden daran nicht viel ändern.
Massive Übergriffe auf Kopten seit Mubaraks Sturz
Das Mubarak-Regime ging mit seinen Gegnern keineswegs zimperlich um und seit dem Attentat auf seinen Vorgänger Sadat 1981 herrscht der Ausnahmezustand. Dies gab den Sicherheitskräften weitgehende Befugnisse, die auch unter Missachtung von Menschenrechten ausgenutzt wurden. Immerhin aber herrschte in dieser Zeit eine Art innenpolitischer Frieden. Seit dem Ende des Mubarak-Regimes kommt es bedauerlicherweise zu einer bedeutenden Zunahme von gewalttätigen, oftmals tödlichen Übergriffen auf die christliche Minderheit, die Kopten. Man darf annehmen, dass es Kreise gibt, die das Chaos seit dem Sturz Mubaraks für ihre eigenen Zwecke ausnutzen wollen und daher mit der Gewalt gegen Christen innenpolitische Rechnungen begleichen wollen.
Die Euphorie des Jahresanfangs ist definitiv verflogen und es steht zu befürchten, dass aus dem Arabischen Frühling zunächst ein Herbst und vielleicht sogar ein langer Winter wird. Die Ägypter haben dies erkannt und den Protest daher wieder auf den Tahrir getragen. Der Ausgang ist völlig offen.