Deutschland ist der Zahlmeister der EU. Egal wie man die Sache dreht und wendet, ob nun eine Fiskalunion, eine gemeinsame Wirtschaftsregierung oder Euro-Bonds kommen: Die Deutschen werden ihren Wohlstand in den Süden verschieben, um den gemeinsamen Währungsraum zu retten. Vor allem außerhalb der Eurozone – insbesondere in Großbritannien – beobachtet man diese Entwicklung argwöhnisch und befürchtet, die Deutschen würden sich parallel auch politisch emanzipieren und eine Führungsrolle in der EU beanspruchen.
der EU, doch die Bürger wollen mehrheitlich genau diese.
Foto: Ole Reißmann / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)
Diese Verantwortung fühlen wohl auch die politischen Eliten Deutschlands auf sich zukommen – und wehren sie eilig ab. Beim SPD-Parteitag warnte der beliebte Altkanzler Helmut Schmidt die Regierung davor, sich in der Eurokrise zu stark als Lehrmeister anderer Länder aufzuspielen und so das Europa-Projekt zu gefährden. „Wenn wir Deutschen uns verführen ließen, eine Führungsrolle zu beanspruchen oder doch wenigstens den primus inter pares (Erster unter Gleichen) zu spielen, so würde eine zunehmende Mehrheit unserer Nachbarn sich zunehmend dagegen wehren“, flüchtet Schmidt schon einmal vorsorglich aus einer möglichen deutschen Führungsposition.
Während Karlheinz Weißmann in der Sezession rätselt, ob Schmidt – dessen Aussagen zuletzt meist den Geschmack des Volkes getroffen haben – doch „stärker als erwartet am Antipatriotismus der deutschen Linken“ klebt, folgen ihm die Bürger in diese Frage überraschenderweise nicht. Wie eine Internet-Umfrage der Zeitung Die Welt zeigt, widersprechen 49 Prozent der knapp 900 Teilnehmer (Stand 4.12.2011, 23.30 Uhr) Helmut Schmidt und fordern, Deutschland solle eine Führungsrolle in der EU übernehmen. Nur 41 Prozent teilen die Bedenken des Altkanzlers und mahnen zur Zurückhaltung, denn Deutschland dürfe sich nicht isolieren. Erwacht hier gar das totgeglaubte deutsche Selbstbewusstsein?