Die österreichische Nachkriegswirtschaft war die Sternstunde der Fonds. Kaum ein Bereich, der nicht von eigens dafür geschaffenen Fonds „beglückt“ wurde. Ein besonderes Betätigungsfeld stellten die österreichische Landwirtschaft und die Nahrungsmittelbewirtschaftung dar. So gab es im Laufe der Jahre den Viehwirtschaftsfonds, den Geflügelwirtschaftsfonds, den Getreidewirtschaftsfonds und den mächtigen Milchwirtschaftsfonds. Und nach der politischen Staatsreligion, nämlich Proporz und Parteibuchwirtschaft, waren diese Fonds natürlich auch durch Vertreter von ÖVP und SPÖ schön brav nach dem Prinzip halbe-halbe besetzt. Einer der weiteren Fonds war der Weinwirtschaftsfonds, der erst relativ spät, nämlich 1969 noch unter der ÖVP-Alleinregierung und dem Landwirtschaftsminister Karl Schleinzer ins Leben gerufen worden war. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die in den Jahren 1952 bis 1968 tätige Österreichische Weinwerbung als Vermarktungsinstitutionen gewirkt.
Der Weinwirtschaftsfonds und seine Versäumnisse
kostetete der Weinskandal den Job.
Foto: Parlamentsdirektion
Zwischen 1970 und Mitte der 1980er Jahre hatten sich die Weinausfuhren praktisch verzehnfacht. Während Anfang der Siebziger nur durchschnittlich 8 Prozent der im Jahr produzierten Weinmenge exportiert worden, war, stieg dieser Anteil bei stark erhöhter Gesamtproduktion zwischen 1980 bis 1984 auf 14 Prozent. Wie sich später herausstellte, waren seit den siebziger Jahren zunehmend auf chemische Art und Weise große Mengen Wein bearbeitet worden, bevor sie in den Handel und Export kamen. Zur Aufdeckung des Skandals gibt es verschiedene Versionen. Neben mehreren anonymen Anzeigen gegen burgenländische Großetriebe an die zuständigen Behörden sollen auch bei Finanzämtern Unterlagen mit auffallend großen Mengen Diethylenglykol zur steuerlichen Absetzung eingereicht worden sein. Zusätzlich wurden dem Forschungslabor der landwirtschaftschemischen Versuchsanstalt in Wien Ende 1984 einschlägige chemische Substanzen zur Untersuchung zugespielt. Ein Nachweis gelang erst in den Jännertagen 1985, da die Beimischung von Diethylenglykol als Verfälschungsmittel bisher unbekannt gewesen war. Der Weinwirtschaftsfonds reagierte darauf nicht, obwohl es schon frühzeitig Gerüchte gab. Als der deutsche Zoll die Grenzen für die Einfuhr österreichischer Weine sperrte, war der Skandal perfekt.
SPÖ-Landwirtschaftsminister Günther Haiden schaute jahrelang weg
Landwirtschaftsminister und damit auch für die Weinwirtschaft zuständig war damals der SPÖ-Mann Günther Haiden. Die SPÖ Alleinregierung machte ihn 1972 zum kaufmännischen Direktor der Österreichischen Bundesforste. Im Jahre 1974 wurde er SPÖ-Staatssekretär und 1976 Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft. Daneben war Haiden zeitweise auch Bezirksvorsteherstellvertreter von Wien-Währing sowie Abgeordneter zum Nationalrat. Wie später an die Öffentlichkeit gelangte, hatte Haiden schon 1982 von den Vorkommnissen in der österreichischen Weinwirtschaft erfahren. Parallel gab es auch in dem den Weinwirtschaftsfonds maßgeblich kontrollierenden ÖVP-Bauernbund verdichtete Hinweise auf Unregelmäßigkeiten. Es wurden aber von keiner Seite echte Schritte zu einer Aufklärung unternommen. Vielmehr herrschte über einige Jahre ein Schweigekartell zwischen Rot und Schwarz.
Weinbauverbandspräsident reagierte ebenfalls nicht
Verhandlungspartner von Günther Haiden und damit am anderen Ende der SPÖ/ÖVP-Stillhaltekoalition in dieser Frage war Erich Mauss. Mauss war Multifunktionär in der Landwirtschaftsorganisation und im ÖVP-Bauerbund. Wie sich später herausstellte, soll spätestens ab 1978 in großen Mengen „Prädikatswein“ durch die Beimengung von Diethylenglykol hergestellt worden sein. Sofort kam es zu gegenseitigen politischen Schuldzuweisungen zwischen Rot und Schwarz, und es entbrannte ein Kleinkrieg über die Frage, wann wer zuerst über das Ausmaß der Fälschungen informiert gewesen war.
Schuldzuweisungen, Gerichtsurteil und Rücktritt von Haiden und Mauss
Schlussendlich wurden 325 Personen angezeigt, 15 Anklagen wegen schweren gewerbsmäßigen Betruges beziehungsweise Beteiligung erhoben, 24 Personen in Untersuchungshaft genommen und 52 Strafanträge wegen verbotenen Zusatzes gestellt. Vor den Strafbehörden kam zu Tage dass es sich bei der Weinfälscherszene um ein Netzwerk handelte, zu dem, Hersteller und Großhändler chemischer Präparate sowie Weinbaubetriebe und Weinhandel gehörten. Zudem hatten Landwirtschaftsvertreter und Beamte zum Teil jahrelang bewusst weggesehen. Während die Strafgerichte den Skandal aufarbeiteten und unter dem öffentlichen Druck ein neues Weingesetz beschlossen wurde, mussten sowohl der ÖVP-Politiker Mauss (1985) als auch der SPÖ-Mann Haiden (1986) ihren Hut nehmen und zurücktreten.
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