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11. Dezember 2011 / 13:29 Uhr

SPD-Bundesparteitag: Helmut Schmidt und die “historische Last”

Helmut SchmidtDie  Kreuzzüge des Mittelalters, der Dreißigjährige- und "zweite" Dreißigjährige Krieg von 1914 bis 1945 – wann hat man im Rahmen eines Parteitags der SPD zuletzt davon reden hören? Altkanzler Helmut Schmidt (1974-1982), politisches Fossil und "Stargast" des Bundesparteitages in Berlin, schlug diesen großen historischen Bogen, wandelte dabei aber zur Befriedung der Delegierten auf hinlänglich bekannten und ausgetretenen Pfaden. Einmal mehr erinnerte er mit erhobenem Zeigefinger an die "historische Last", beschwor den "verständlichen" anti-deutschen "Argwohn" der Nachbarn, der "noch Generation überdauern werde" und von dem 93jährigen in bizarrer Weise kurzerhand in die fernste Zukunft prolongiert wurde.

Helmut Schmidt

Helmut Schmidt

Helmut Schmidts Zukunftsvisionen werden für die Deutschen teuer.
Foto: Thaddäus Zoltkowski / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

Jedem, der dieses Schuldbewusstsein nicht zur Grundlage seiner Europapolitik mache, attestierte er in  schulmeisterlicher Strenge das Fehlen eines "unverzichtbaren" Verständnisses von der "Ursprungsmotivation" der EU: der notwendigen "Einbindung" Deutschlands. Im Klartext: Die Geister der Vergangenheit sollen erneut und immerdar das politische Handeln diktieren. Es ist geradezu bezeichnend, dass an dieser Stelle seiner Ausführungen zum ersten Mal Applaus aufbrandete und ein Kameraschwenk eine sichtlich erfreute Generalsekretärin präsentierte. Die Sozialdemokratie ist sich mit Merkel vollends einig: Die politische Klasse soll sich auf die noch stärkere Einbindung der Bundesrepublik in das "einvernehmliche System von Kriegsreparationen" (Niall Ferguson) einlassen, andere Optionen sind indiskutabel.

Viele Bürger und Steuerzahler beschleicht mittlerweile eine ungute Ahnung, was unter der fortwährend propagierten "Einbindung" genauer zu verstehen ist: Nämlich die "Weginflationierung" der Schuldenstände mittels "Bonds", die weitere Aufgabe nationalstaatlicher Souveränität zum Zwecke einer Fiskal- und Transferunion, die in einen gigantischen Länderfinanzausgleich münden soll, der eigenverantwortliches politisches Handeln auf nationalstaatlicher Ebene unmöglich macht. Es ist durchaus tragisch zu nennen, dass derlei abgegriffene Mahnungen nicht von unvermeidlichen EU-Lobbyisten und Brüsseler Profiteuren wie Jean-Claude Juncker zu hören sind, sondern von einem Altkanzler. Vergessen die Zeiten, in denen die SPD als bewusst euroskeptische Partei Wähler mobilisierte und ein gesundes Misstrauen gegenüber Brüssel hegte.

Parteilinke hat SPD fest im Griff – Schmidt spielt mit

Seit Schröders Kanzlerdämmerung herrscht in der Sozialdemokratie unangefochtenen die Parteilinke. Sie hat sich in der Europapolitik sehr früh und ohne Diskussion von Alternativen auf eine Moralisierung der EU-Politik festgelegt. Immerhin ist ihr mit der Inanspruchnahme Schmidts, über dessen Motivation man nur rätseln kann, ein Coup gelungen. In einer seiner Rückschauen erachtete er einst die ungebremste Masseneinwanderung in die Bundesrepublik und ihre Sozialsysteme als "großen Fehler", bereits 1982 sah er den "sozialen Frieden" in Gefahr, sollte die Bundesrepublik Einwanderungsland werden. Trotz vielfacher Vorzeichen hat er diese Frage vollständig aus den Augen verloren. Die 1,5 Millionen Bundesbürger, die das Buch seines Parteifreundes Thilo Sarrazin gekauft haben, sind ihm keine Silbe wert. Auch in der Frage der Europapolitik hat er kein Organ mehr für die überaus großen Vorbehalte in der Bevölkerung.

Dem medial als "Staatsmann" in Szene gesetzten Altkanzler ist offenkundig nicht bewusst, dass die wirtschaftliche Union über die Hintertür bald eine politische werden wird, Brüssel zieht dann die Gestaltung insbesondere der Einwanderungspolitik im EU-Raum an sich. Es ist nicht schwer zu erschließen, dass sie die Einwanderung aus Afrika und Asien "aus wirtschaftlichen Gründen" weiter forcieren wird, schon jetzt wechseln sich die Brüsseler Lautsprecher darin ab, mehr und mehr Zuwanderung zu fordern. Die EU steuert ohne Einbindung der Völker in eine unsichere Zukunft: Helmut Schmidt wird sie nicht mehr erleben.

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