Nach dem vernichtenden Ergebnis für Kanzler Faymann von nur 83,4 Prozent Zustimmung beim SPÖ-Parteitag versucht sich der Organisator des misslungenen Spektakels in recht eigenartigen Erklärungen. Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter glaubt zu wissen, warum fast jeder sechste Delegierte den Namen des Kanzlers von Wahlzettel gestrichen hat. Es seien die „strengen Vorschriften“ des neuen Parteiengesetzes, mit denen sich die kleinen Funktionäre „sogar bei Tombolas“ abmühen müssten. Für FPÖ-Generalsekretär Vilimsky ist Kräuters Argumentation eine glatte Beleidigung der SPÖ-Basis.
Flucht vor Transparenzregeln längst erfolgt
Viele können es tatsächlich nicht mehr sein in der SPÖ, die sich mit irgendwelchen, als Resultat des U-Ausschusses neu beschlossenen Transparenzregeln herumschlagen müssen. Die Vorfeldorganisationen haben die Flucht aus der Parteifamilie angetreten, um weiterhin ungestört kassieren zu können. Erst machten Natur- und Kinderfreunde, ASKÖ und Arbeitersamariterbund die Fliege, dann gründeten die roten Gewerkschafter und der SPÖ-Pensionistenverband Parallelstrukturen zur Umgehung der Transparenzrichtlinien. Trotzdem fällt Kräuter als Grund für die Faymann-Streichorgie nichts Besseres ein als das neue Parteienfinanzierungsgesetz. Sollte das tatsächlich der Hauptgrund gewesen sein, ist es ein Armutszeugnis für eine offenbar bis in die niedrigste Ebene reine Abkassierer-Partei. Wenn Kräuter an der Realität vorbei argumentiert, so ist es eine Beleidigung jener Delegierter, die den Mut aufbrachten, dem Parteivorsitzenden wenigstens bei der Wahl die Rechnung für seine Politik zu präsentieren.
Für Beobachter ist freilich klar, woher das schlechte Ergebnis Faymanns rührt: Seine Feigheit, sich dem U-Ausschuss zu stellen, und die Prinzipienlosigkeit der Parteiführung in der Wehrpflicht-Frage liegen als Gründe auf der Hand. Kräuter sieht das ganz anders.
Rote Faymann-Gegner noch in der richtigen Partei?
FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky reagiert auf Kräuters gegenüber der Austria Presse Agentu r und in der ORF-Sendung Hohes Haus getätigte Aussa gen erstaunt: „Es ist bemerkenswert, wenn Kräuter Grundsatztreue in der Wehrpflicht-Frage und Gesetzestreue in der Frage der Inseratenaffäre als Motive für die Nein-Stimmen ausschließt.“ Geradezu grotesk sei, dass Kräuter den Faymann-Gegnern in der eigenen Partei finanzielle Motive unterstelle. „Diese Argumentation ist nicht nur in hohem Maße uneinsichtig, was die Verfehlungen der eigenen Parteispitze anlangt, sondern charakterlich mies gegenüber den mündigen Delegierten, die sich angesichts dieser Kräuter-Aussagen dringend überlegen sollten, ob sie noch in der für sie richtigen Partei aktiv sind“, hielt Vilimsky fest.