Zu einem spannenden Rennen zwischen zwei unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Projekten könnte die Stichwahl bei den tschechischen Präsidentenwahlen in zwei Wochen werden. Für politische Beobachter überraschend hat es der “schwarz-gelbe” Kandidat Karl Schwarzenberg von der konservativ-liberalen Partei Top 09 in die zweite Runde gegen den linken Sozialdemokraten Miloš Zeman geschafft. Der 75-jährige amtierende Außenminister und Vizeministerpräsident Schwarzenberg kam mit 23 Prozent knapp hinter dem Ex-Ministerpräsidenten der sozialdemokratische CSSD zu liegen. Die Kandidaten der beiden “Systemparteien”, Přemysl Sobotka von der konservativen ODS und Jiří Dienstbier junior, offizieller Kandidat der CSSD, sind mit 2,6 bzw. 16 Prozent abgeschlagen. Auch der ehemalige parteilose linke Ministerpräsident Jan Fischer kam nur auf 16 Prozent. Damit hat die “vereinigte” Linke zwar auf dem Papier die Mehrheit, in der zweiten Runde könnte sich aber trotzdem der Adelige Schwarzenberg durchsetzen.
Schwarzenberg möchte altes System ablösen
Bereits 2010 ließ Karl Schwarzenberg aufhorchen, als er mit seiner neu gegründeten Partei Top 09 auf Anhieb 16,7 Prozent der Stimmen erreichte. Schwarzenberg formulierte zum Auftakt des Wahlkampfs für die zweite Runde, Zeman sei ein “Mann der Vergangenheit”. Entscheidend wird sein, ob es Schwarzenberg, der sich klar gegen CSSD und ODS im Wahlkampf positioniert hat, gelingt, auch jenen Flügel in den bürgerlichen Parteien für sich zu gewinnen, die einen engagierteren Kurs gegen Brüssel und die Europäische Union fordern. Hier hatte der derzeitige konservative Amtsinhaber Vaclav Klaus bisher zahlreiche Schwerpunkte gesetzt. Demgegenüber gilt Schwarzenberg aber als EU-freundlich, was dem nationalen Lager missfallen könnte.
Was bedeutet neue Präsidentschaft für sudetendeutsche Vertriebene?
Mit Spannung blicken auch die sudetendeutschen Vertriebenen Richtung Prag. In seiner Zeit als Berater des ehemaligen Staatspräsidenten Vaclav Havel bzw. als Außenminister und Vizeregierungschef setzten die Vertriebenen immer wieder Hoffnungen in Schwarzenberg, eine Abschaffung der Benesch-Dekrete umzusetzen. Hier setzte dieser aber keinerlei Akzente und hielt am Status quo fest. Eine eindeutig negative Haltung gegen die Sudetendeutschen nimmt seit vielen Jahren der linke Miloš Zeman ein. 2002 bezeichnete er die Sudetendeutschen als “fünfte Kolonne Hitlers” und verteidigte die Vertreibung der deutschen Volksgruppe im Jahr 1945 durch die Tschechen ausdrücklich. Zeman damals: Die Sudetendeutschen hätten viele Jahre heim ins Reich gewollt, das habe man ihnen nach dem Zweiten Weltkrieg erfüllt.