Der Programmbeirat der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt ARD ist nicht gerade eine Versammlung von Wutbürgern, sondern sieht sich als “eine bunte Mischung von Menschen, die ganz unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen vertreten und so die gesellschaftliche Vielfalt widerspiegeln”. Die einzelnen Rundfunkräte über ihr Amt “als Vertreter gesellschaftlich relevanter Gruppen (z. B. Gewerkschaften, Religionsgemeinschaften, Parteien, Frauen- oder Jugendverbände)” aus.
Nicht ausreichend differenziert, vieles unzureichend behandelt
Dieses Gremium ließ nun mit unerwartet harter Kritik an der Programmgestaltung im “Ersten” in Zusammenhang mit der Ukraine-Krise aufhorchen. In einem dem Internet-Magazin Telepolis zugespielten Protokoll aus dem Juni heißt es etwa:
Der Programmbeirat kam aufgrund seiner Beobachtungen zu dem Schluss, dass die Berichterstattung im Ersten über die Krise in der Ukraine teilweise den Eindruck der Voreingenommenheit erweckt hat und tendenziell gegen Russland und die russischen Positionen gerichtet war. [.] An vielen Stellen wurde nicht ausreichend differenziert. [.] Folgende grundlegende Punkte, die für die Einschätzung und das Verständnis der Ursachen und der Eskalation der Krise wichtig gewesen wären, fehlten in der Ukraine-Berichterstattung im Ersten jedoch oder wurden nur unzureichend behandelt:
Motivation von EU und NATO verschwiegen
Es folgt eine Aufzählung, die unter anderem das Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine, die politischen und strategischen Interessen der NATO, die Rolle und Legitimation des sogenannten Maidanrats sowie der radikalnationalistischen Kräfte umfasst. Der Programmbeirat vermisst zudem Berichterstattung über die Verfassungs- und Demokratiekonformität der Absetzung von Präsident Janukowitsch sowie eine kritische Analyse der Rolle von Julia Timoschenko und Deutschlands Liebling Vitali Klitschko. Auch belastbare Belege für eine Infiltration der Krim durch russische Armeeangehörige seien von der ARD nicht vorgelegt worden – wohl wurde dies aber gebetsmühlenartig behauptet.
Talkshows auf Person Putin fixiert
Doch nicht nur die Nachrichtensendungen waren und sind tendenziös, auch an den Talkshows äußern die Programmbeobachter Kritik:
Bei den Talkshows fiel auf, dass die Titel häufig antirussische Tendenzen erkennen ließen bzw. den Konflikt auf die Person Putin fokussierten und weder eine mögliche westliche Mitverantwortung am Entstehen der Krise thematisierten noch beispielsweise die demokratische Legitimation der Übergangsregierung oder der Maidan-Bewegung in der Ukraine infrage stellten. Das Themenspektrum war also eingeschränkt, und teilweise wiederholten sich die Fragestellungen überdies.
Besserung nach Zuschauerkritik
Am Ende baut der Programmbeirat der ARD noch eine goldene Brücke, indem er eine Besserung der Berichterstattung mit Fortdauer der Krise konstatiert, dafür allerdings nicht die Programmmacher verantwortlich macht, sondern vielmehr eine “Reaktion auf die Zuschauerkritik” vermutet. Protest zahlt sich also doch noch aus.