Die ÖVP entfernt sich mit ihren abstrusen Forderungen mehr und mehr davon, eine regierungstaugliche Partei zu sein. Ihr aktueller Vorstoß nach dem Verbot der Identitären signalisiert einen neuerlichen und demokratiepolitisch äußerst bedenklichen Tiefpunkt.
Kommentar von Unzensurix
Es ist grundsätzlich nicht neu, dass die ÖVP Themen andere Parteien kopiert und dabei sowohl im linken als auch rechten Spektrum fischt. Ein Verbot der Identitären wird sogar als Koalitionsbedingung genannt. Die ÖVP versucht damit freilich bei jenen zu punkten, denen die Identitären ein Dorn im Auge sind. Das sind natürlich überwiegend linke Strömungen.
Identitäre störten die Linken
Doch reichen die ganzen Argumente aus, um die Identitären verbieten zu können? Man muss wahrlich kein Freund dieser Bewegung sein, aber die Suppe, die da gekocht wird, ist äußerst dünn. Die Identitären sind vor allem durch Aktionismus aufgefallen. Beim alljährlichen Mai-Aufmarsch der SPÖ gab es regelmäßig Protestaktionen. So zog eine Gruppe bestehend aus voll verschleierten Frauen begleitet von einer Person mit einer Maske, die Wiens einstigen Bürgermeister Michael Häupl zeigte, zum Rathausplatz. Medienwirksam filmten sie sich selbst, ein Identitärer – offenbar Martin Sellner – spielte den Interviewer Charmin Bär. Rasch folgte der Zorn der Linken, was ein Polizeiaufgebot notwendig machte. Bei einem anderen SPÖ-Mai-Aufmarsch mischten sich die Identitären unter die Menge und hielten Protesttafeln in die Luft, was etwa zu einer Auseinandersetzung mit dem Star-Physiker Werner Gruber führte. Ansonsten fielen Identitäre durch Protestmärsche oder einer Störaktion im Burgtheater auf.
Die Identitären setzten auf Demonstrationen, die man eher von Linken oder Linksextremen gewohnt war. Die Identitären unterscheiden sich allerdings von den Linken insofern davon, dass sie eben für Themen wie Heimat, einen harten Kurs gegen Überfremdung etc. stehen. Gewalttätige Ausschreitungen wie man sie aber von den Linken bei den bekannten Demonstrationen gegen den Akademikerball der Wiener FPÖ kennt, darüber ist nichts bekannt. Eher umgekehrt, dass ein Identitärer mit einem Pflasterstein verletzt wurde.
Christchurch brachte Identitäre unter Beschuss
Ernsthaft ins Visier kamen die Identitären, weil der bekannte Attentäter von Christchurch eine Spende von 1.500 Euro an diesen Verein überwiesen hat. Medial wurde ein Zusammenhang konstruiert als ob es ein Faktum wäre, dass der Attentäter auf Zuruf der Identitären agiert habe und ein entsprechender Kontakt in Form von E-Mails etc. belegt werden könnte. Hausdurchsuchungen, die vom Identitären-Chef Martin Sellner selbst medial erwähnt wurden, bringen da eine zusätzliche mediale Dynamik rein. Und weil einige FPÖ-Politiker bei Veranstaltungen der Identitären gesehen, vielleicht sogar eingeladen wurden oder es FPÖ-Angehörige gab, die sich zu den Identitären bekennen, wurde das mediale Bild schön abgerundet. FPÖ = Identitäre = Rechtsextremismus = Attentäter = Terrorgefahr. Die Ideologie der FPÖ und der Identitären führe quasi zu Tot und Zerstörung, musste man anlässlich der einseitigen Medienmeldungen denken. Und wenn man sich nicht von allem und jenem distanziert, ist man automatisch unten durch.
ÖVP nutzt mediale negative Stimmung aus
Wenngleich dieses Skandal-Bild erzeugt wurde, so scheint es mit der Realität sehr wenig zu tun zu haben. Es ist zu vermuten, dass das Attentat in Christchurch in keinen strafrechtlichen Zusammenhang mit den Identitären gebracht werden kann. Die ÖVP nutzt aber die nun medial negative Stimmung gegen die Identitären, in der Hoffnung bei Wählern punkten zu können. Es heißt, „Extremismus“ hätte in Österreich keinen Platz. Das klingt toll und staatstragend. Nur, wer entscheidet, was Extremismus ist und was nicht? Viele Forderungen, die von der FPÖ kommen und teilweise von der ÖVP kopiert und sogar umgesetzt wurden, werden automatisch von linker Seite als „rechtsextrem“ diffamiert. So gesehen müssten FPÖ und ÖVP ebenfalls verboten werden. Und wie sieht es mit Extremismus von linker Seite aus? Es müssten alle Gruppierungen verboten werden, die mit gewaltbereiten linken Demonstranten sympathisieren. Kann Extremismus tatsächlich eine Rechtfertigung sein, um Gruppierungen zu verbieten?
Die Gesetze, die Österreich derzeit hat, um Vereine zu verbieten, sind ausreichend. Wenn eine Gruppierung strafrechtlich agiert und/oder den Boden der Verfassung missachtet, kann sie verboten werden. Bei den Identitären scheint das trotz des medialen Wirbels nicht der Fall zu sein.
Die Forderungen der ÖVP kann man als geradezu populistisch und dumm bezeichnen. Verständlich warf die FPÖ der ÖVP Verbotsfantasien vor. Dass eine Partei sich über den Rechtstaat mit totalitären Maßnahmen stellen will, sagt schon sehr viel aus. Wer so agiert, macht sich mehr und mehr regierungsuntauglich. Umso mehr braucht die abgehobene ÖVP einen bodenständigen Koalitionspartner, der dafür sorgt, dass die Schwarzen nicht endgültig an Bodenhaftung verlieren.