Dass die Bundeshauptstadt Wien zu den schönsten und zugleich traditionellsten Städten Europas gehört, steht außer Zweifel. Ob Wien allerdings die lebenswerteste Stadt der Welt darstellt, ist eher als fraglich einzustufen. Laut dem amerikanischen Beratungsunternehmen Mercer ist sie es tatsächlich. Bereits zum sechsten Mal in Folge schaffte es die Bundeshauptstadt an die Spitze des Rankings. Doch wie kommt Mercer zu diesem Ergebnis?
Mercer befragt nur internationale Top-Manager
Mercer vergleicht jährlich die Lebensqualität von Welt-Metropolen. Dabei werden die Lebensbedingungen anhand von 39 Faktoren erhoben. Um die einzelnen Faktoren (z.B. das Angebot an Freizeit- und Ausbildungsmöglichkeiten) bewerten zu können, werden dazu verschiedene Personen befragt. Befragt wird jedoch nicht die einheimische Bevölkerung, welche eigentlich am besten die Lebensqualität einer Stadt einschätzten könnte, sondern Mitarbeiter von Firmen, die von ihren Unternehmen in die unterschiedlichsten Großstädte entsandt werden. Laut den Befragten konnte Wien vor allem bei der Verfügbarkeit von geeigneten Mietobjekten, der Auswahl an Theater- und Musikdarbietungen sowie Restaurants und dem Angebot an internationalen Schulen punkten. Alles Fakten, die für den Durschnitts-Wiener im Alltag keine allzu große Rolle spielen dürften. Das Ergebnis der Mercer-Studie müsst daher eigentlich lauten: Wien ist für internationale Manager am lebenswerteste!
Hätte man die Bevölkerung in den Wiener Außenbezirken nach ihrer Einschätzung gefragt, würde die Studie vermutlich ein anderes Ergebnis zum Vorschein bringen. In vielen Bezirken, wie etwa in Favoriten oder Simmering, ist ein Großteil der Menschen betroffen von Rekordarbeitslosigkeit, Rekordarmut und der steigenden Kriminalität. Auch die undifferenzierte Massenzuwanderung aus allen Teilen der Welt wirkt sich eher negativ auf das Gemüt der noch übergeblieben autochthonen Bevölkerung aus. Für eine Studie die jährlich dazu führen soll, dass diverse Politiker etwas zu Jubeln haben, ist die Meinung der Einheimischen völlig unerheblich.
SPÖ freut sich über geschönte Studie
Im Superwahljahr 2015 kommt gerade der SPÖ, unter Noch-Bürgermeister Häupl, die geschönte Studie zu Gute. Denn die Sozialdemokratie kämpft seit Monaten mit sinkenden Umfragewerten und muss somit um ihre Vormachtstellung im roten Wien bangen. Die Studie ist daher für Bürgermeister Häupl und Stadträtin Brauner Grund genug um in Jubelgeschrei auszubrechen und sich gegenseitig auf die Schulter zu klopfen. So ließen Häupl und Brauner bereits kurz nach der Veröffentlichung am Mittwoch in einer Presseaussendung wissen, "dass die hohen sozialen Standards, die gute Infrastruktur und die kulturellen Angebote, die Wien bietet, international anerkannt sind.“ Die brennenden Anliegen der Wiener spielen bei der SPÖ schon lange keine Rolle mehr, vertraut wird lieber den internationalen Top-Managern.
FPÖ kritisiert die Selbstbeweihräucherung von Häupl & Co
Vor allem bei der Opposition ist die Studie mehr als umstritten. Der Klubchef der Wiener FPÖ, Johann Gudenus, meinte zur Studie: „Wenn man sich auf die Mercer-Studie beruft, geht es vorrangig um die Lebensqualität, die Wien den oberen Zehntausend bietet. Es ist zu einfach, sich auf diese Manager-Studie zu berufen, um sich die eigene Versagenspolitik schönzureden.“
Ob die Wienerinnen und Wiener tatsächlich ihre Heimatstadt als lebenswert betrachten, wird sich spätestens bei der kommenden Landtags- und Gemeinderatswahl im Herbst zeigen. Bei dieser Wahl muss Häupl & Co. mit dem wohl schlechtesten Ergebnis in der Geschichte der Wiener-Sozialdemokratie rechnen.