Nicht zum ersten Mal hat das türkische Militär versucht, das Land vor seiner Islamisierung zu bewahren. 1960 glückte ein Putsch gegen Ministerpräsident Adnan Menderes. Dieser hatte erklärt: „Der türkische Staat ist muslimisch und wird muslimisch bleiben. Alles, was der Islam fordert, wird von der Regierung eingehalten werden.“ 1997 erzwang die Armee unblutig den Rücktritt von Necmettin Erbakan, des ersten offen islamistischen Regierungschefs in der Türkei. Nun versuchte sie, das Regime von dessen politischem Ziehsohn Recep Tayyip Erdogan zu beseitigen – und scheiterte allem Anschein nach.
Kommentar von Unzensurix
Erdogan wird diese Gelegenheit nützen, die letzten Verfechter einer strikten Trennung von Staat und Kirche im Geiste Atatürks aus der Armee zu eliminieren, und er wird damit die letzten Widerstandsnester ausräuchern, die ihm gefährlich werden könnten.
War der Putschversuch gerechtfertigt? Immerhin verfügt Erdogans Partei, die AKP, über eine breite demokratische Mehrheit im Land. Mehrheit ja – über breit und demokratisch lässt sich streiten.
Wahlen nach Bedarf, Gewalt gegen eigene Bürger
Nach einem Abrutschen auf rund vierzig Prozent bei den Parlamentswahlen im Juni 2015 provozierte Erdogan eine Neuwahl, vor der er – speziell durch die massive Ausweitung der Unterdrückung von Kurden – die Karten neu mischen ließ. Diese bescherte der AKP im November knapp 50 Prozent – also immer noch keine absolute Mehrheit – dank Wahlrecht aber mehr als genug, um weiter alleine zu regieren.
Wie es um die Demokratie und die Menschenrechte in der Türkei bestellt ist, zeigen neben dem Umgang mit den Kurden die blutige Niederschlagung der Gezi-Park-Proteste im Jahr 2013 oder die Auflösung einer Demo zum Frauentag mit Gummigeschossen im März dieses Jahres.
Dennoch solidarisiert sich die gesamte, auf die Achtung von Menschrechten so stolze westliche Welt heute mit dem Erdogan-Regime und deutet nicht einmal an, dass der versuchte Putsch eine Chance gewesen wäre, einen gefährlichen Islamisten und Diktator von der Macht zu entfernen.
Kennen Sie Stauffenberg, Herr Kurz?
Dass auch aus Demokratien Diktatoren hervorgehen können, sollte gerade der deutschen Kanzlerin Angela Merkel bekannt sein, die wohl nicht allzu viel nachgedacht hat, als sie in der Nacht in Richtung Putschisten verlauten ließ: „Die demokratische Ordnung in der Türkei muss respektiert werden.“ Und Österreichs Außenminister Sebastian Kurz, der jetzt eine „Rückkehr zur rechtsstaatlichen Ordnung“ einfordert, sei daran erinnert, dass sich in wenigen Tagen – am 20. Juli – das gescheiterte Attentat auf Hitler durch Stauffenberg jährt.
Unzensuriert-Berichterstattung: Militär unternimmt Putschversuch gegen Erdogan – gescheitert