Franz Fischler, den glühenden Europäer und einstigen EU-Kommissar (ÖVP) dürfte die Realität nun eingeholt haben, wenn man seinen aktuellen Ausführungen in der Tiroler Tageszeitung Glauben schenken darf. „Hören wir endlich damit auf, die Augen vor der Realität zu verschließen. Europa steht vor dem Abgrund“, wird er zitiert. Die EU befinde sich in einer existenziellen Krise. Und auch einen Zerfall der EU hält Fischler mittlerweile nach zehn Jahren für denkbar, wie man seine Worte interpretieren darf.
Zu lange den USA geglaubt
„Wir haben unsere eigenen Erzählungen geglaubt“, klingen Fischlers Aussagen wie ein Schuldeingeständnis. „Zu lange wurde der amerikanischen Erzählung geglaubt, Russland sei nach dem Zerfall der Sowjetunion nur noch bloß eine Regionalmacht“, bedauert er. Außerdem gibt er zu, dass Europa seine diplomatischen Beziehungen zu Russland vernachlässigt habe. Für Verwunderung sorgt er allerdings damit, dass er meint, Russlands Präsident Putin sei nicht darauf erpicht, die EU zu stärken. Fischler dürfte wohl verdrängen, dass es die EU war, die Sanktionen gegen Russland mitgetragen hat.
Fischler will Bundesstaat ohne Länder „rundherum“
Und auch Fischlers sonstige Schlussfolgerungen sind hinterfragenswert. Er kritisiert den Mangel an Solidarität in der Flüchtlingspolitik, den Rechtsruck in Polen und den Nationalismus in Ungarn. Ansonsten schwärmt Fischler von einem Kerneuropa, das sich in einen Bundesstaat entwickeln solle – also in dem jene Nationalstaaten, die Teil dieses Modells sein wollen, ihre Kompetenzen vollkommen der EU übertragen. „Rundherum“ gäbe es einen europäischen Staatenbund. Somit Länder, die in ihre alten Währungen zurück könnten. Nach Fischlers Vorstellungen eines Bundesstaates dürfte die EU wohl endgültig zerfallen.