Als „Sommerbombe“ hatte Christian Mucha, Herausgeber der Journalisten-Blatts ExtraDienst, das Buch seines Kollegen Helmut Brandstätter noch vor wenigen Tagen angekündigt. Glaubt man ersten Rezensenten aus der Kollegenschaft, so dürfte es sich höchstens um einen Knallfrosch handeln.
Brandstätter will für Widerstandsgeist gelobt werden
Selbst im Kurier ist Franz Ferdinand Wolf von den Ergüssen eines seiner Nachfolger als Chefredakteur unter dem Titel „Kurz & Kickl – Ihr Spiel mit Macht und Angst“ wenig überzeugt und vermutet eher Eitelkeit als Motiv:
Brandstätter legt ein flammendes Bekenntnis zur Widerstandspflicht der Medien gegen Begehrlichkeiten der Politik ab. Für unabhängigen Journalismus allerdings eine Selbstverständlichkeit, die keiner extensiven Begründung bedarf. Es sei denn, man will für Mut und Widerstandsgeist gelobt werden.
Kickl führte, Kurz folgte in die autoritäre Republik
Brandstätters Hauptthese des Buches zitiert Hans Rauscher wie folgt im Standard:
„In Wirklichkeit war diese Regierung (Türkis-Blau, Anm.) der Beginn des Weges in eine autoritäre Republik.“ […] „Herbert Kickl hatte die Strategie geplant und dabei Sebastian Kurz den Führersitz und damit den Anschein der Macht überlassen, solange dieser als Kanzler der Planung und den Aktionen Kickls folgte.“
Brandstätters Biographie widerspricht eigenem Anspruch
Diese Theorie bezeichnet Rauscher jedoch als „diskussionswürdig“. In der Presse würdigt Anna Maria Wallner zwar die Warnung vor zu großer Nähe zwischen Politik und Medien, sieht aber Brandstätter angesichts seiner eigenen Vorgeschichte aber nicht unbedingt als den geeigneten Mahner:
Helmut Brandstätter galt und gilt als bürgerlich-liberaler Journalist. Einer, der „aus dem Milieu der alten ÖVP stammt“, wie Hans Rauscher im „Standard“ es bezeichnet. Einer mit Draht zum ehemaligen Raiffeisen-General Christian Konrad (der ihn zum „Kurier“-Chef machte) und Ex-ÖVP-Chef Erhard Busek (der das Vorwort zu „Kurz & Kickl“ beisteuerte). Aber eben auch einer, der auch gut mit mächtigen SPÖ-Funktionären konnte.
Mit Christian Kern war er schon lang vor dessen Zeit als Kanzler befreundet, private Essen waren keine Seltenheit, mit Kerns Vorgänger Werner Faymann schrieb er 2014 gar ein Buch („So kann Europa gelingen“, Kremayr & Scheriau). Für eine ähnliche Kooperation mit Kurz fehlte die Nähe.
Bewerbungsschreiben eines altgedienten Medienmannes
Und tatsächlich dürfte Brandstätter sich gerade erneut anschicken, als Journalist die Nähe der Politik zu suchen. „Manche werden darin auch ein Bewerbungsschreiben eines altgedienten Medienmannes für eine politische Zukunft in Pink sehen“, schreibt Franz Ferdinanz Wolf, während die Kronen Zeitung schon gestern wusste: „Der längst abgetretenen Raiffeisen-Machern verbundene frühere TV-Moderator Helmut Brandstätter kehrt dem Journalismus den Rücken und dockt bei den NEOS an.“
NEOS-Mandatar und Kurier-Herausgeber zugleich?
Auch die Tageszeitung Österreich ist der Ansicht, das Buch könne „quasi als ein Bewerbungsschreiben für ein pinkes Mandat verstanden werden“. Mit diesem Mandat alleine würde sich Brandstätter aber womöglich nicht zufrieden geben. Dem Trend sagte er:
Mein Vertrag läuft noch ein Jahr. Und es gibt im deutschsprachigen Ausland Beispiele, wo führende Publizisten auch Politiker waren, wenn ich an Gerd Bucerius oder Rudolf Augstein denke.
Die NEOS haben auf das offensichtliche Werben Brandstätters offiziell noch nicht reagiert. Vielleicht überlegen sie noch, mit welchem Wert sie sein Buch als Parteispende im beginnenden Wahlkampf ansetzen sollen.