Im Wahlkampf zur Parlamentswahl am 4. März 2018 in Italien zeichnen sich bereits die Konturen für das Szenario der nächsten Legislaturperiode ab. Unzensuriert berichtete bereits über die Hintergründe der Wahl sowie wahlentscheidende Themen.
Ehemalige Christdemokraten wurden zu Linksbündnis
Die Zustimmung aus dem Präsidentenpalast auf dem Quirinal scheint bereits erteilt worden zu sein. Dort sitzt seit Februar 2015 der linke Christdemokrat Sergio Mattarella (PD). Seine politische Karriere begann er 1983 als Parlamentsabgeordneter der damals mächtigen Democrazia Cristiana (DC).
Nach ihrem Untergang ging deren linker Flügel ein strategisches Bündnis mit den nach dem Zusammenbruch des Ostblocks sozialdemokratisch gewandelten Ex-Kommunisten ein. 2007 schlossen sich beide Gruppierungen zum linksdemokratischen Partito Democratico (PD) zusammen. Das US-amerikanische Vorbild der Demokratischen Partei lässt grüßen.
Italiens Systemparteien wichtig für das westliche Militärbündnis
Der Staatspräsident Sergio Mattarella wünscht stabile und klare Verhältnisse für die kommenden fünf Jahre. Ob Mitterechts, wenn es sein muss, oder Mittelinks, was ihm natürlich lieber wäre, ist dabei fast einerlei. Hauptsache die als unberechenbar geltende Fünf-Sterne-Bewegung zieht nicht in den Palazzo Chigi, den Amtssitz des italienischen Ministerpräsidenten ein. Das würde die EU erschüttern und mehr noch Italiens Stellung im westlichen Bündnis. Und mit diesem sind auch die internationalen Kredite und Geldflüsse verbunden.
2011 hatten Barack Obama & Co. unter linkem Jubel sogar Silvio Berlusconi zum Rücktritt gezwungen, indem sie mit der Abtrennung von den internationalen Finanzen drohten (in den Medien wurde stattdessen schadenfroh und genussvoll über “Bunga Bunga” berichtet). Solche Szenarien will niemand vom Establishment.
Weitere EU-kritische Gruppierungen auf dem Vormarsch
Auch die beiden Bündnisse auf der Rechten und der Linken haben EU-kritische Gruppierungen in ihrem Gepäck. Das ist aber nicht neu. Sie gelten als ausreichend domestiziert und daher nicht mehr wirklich gefährlich.
Die Rede ist von Teilen der radikalen Linken und der Lega Nord. Letztere war als separatistische Bewegung des Nordens entstanden, bis sie 1996/1997 durch stattliche Kriminalisierung zur Kursänderung gezwungen wurde. Sie begnügte sich fortan mit Autonomieforderungen und entwickelte sich unter ihrem derzeitigen Vorsitzenden, dem Europaabgeordneten Matteo Salvini, in den vergangenen zwei Jahren zu einer gesamtitalienischen Partei und zum wichtigsten Sammelbecken der italienischen Rechten. Wer hätte das gedacht.
Lega Nord bald Geschichte?
Salvini geht damit ein großes Risiko ein. Ob die Rechnung aufgeht, steht nicht fest. Fest steht hingegen, dass sein Kopf rollen oder die Lega Nord sich spalten wird, wenn das Risiko nicht aufgeht. Zu viele im Norden empfinden, dass er die Partei zu weit von ihren ursprünglichen Zielen weggeführt hat. Dagegen hilft nur mehr der Erfolg.
Auf der Linken ist das Rennen noch offen
Die radikale Linke ist hingegen auf der Suche nach einer neuen Heimat und arbeitet an einem Sammelbecken links des PD, das als Alternative zu den anderen drei Blöcken gedacht ist. Die Liste soll “Frei und gleich” heißen und die Alt-Kommunisten, die Grünen, die italienischen Podemos- und Tsipras-Ableger und den linken Flügel des PD umfassen.
Dieser hatte sich 2016 von der Mutterpartei abgespalten, weil sich die Demokratische Partei zu weit “nach rechts” verschoben habe. Gemeint ist mehr der Einfluss der ehemaligen linken Christdemokraten, der einigen ehemaligen Kommunisten seit der Fusion sauer aufstößt, besonders jenen Parteiführern, die schon bessere Tage erlebt und ihre Positionen verloren haben. Eine neue “Antikapitalistische Liste” sorgt zudem für Konkurrenz von noch weiter links und zusätzliche Katerstimmung.
Mitterechts-Bündnis mit größten Aussichten
In den jüngsten Umfragen liegt der PD unter 25 Prozent. In zahlreichen, wackelnden Wahlkreisen wären die Stimmen der radikalen Linken ausschlaggebend. Dazu kommt die Bündnisverweigerung der Fünf-Sterne-Bewegung, weshalb das Mitterechts-Bündnis die besten Aussichten hat, die Wahlen zu gewinnen. In Zahlen ausgedrückt, sieht das nach der jüngsten EMG-Wahlumfrage vom 9. Jänner 2018 so aus:
Mittrechts-Bündnis 36,1 Prozent
Fünf-Sterne-Bewegung 28,2 Prozent
Mittelinks-Bündnis 26,4 Prozent (davon PD 23,1)
Radikale Linke I 5,6 Prozent
Radikale Rechte 1,5 Prozent
Radikale Linke II 1,0 Prozent
Andere (SVP u.a.m.) 1,2 Prozent