Für die einen ist der Freispruch der beiden Asylwerber, die Ende April 2017 in der Nähe des Sportplatzes Tulln eine 15-Jährige brutal vergewaltigt haben sollen, ein Skandalurteil, für andere zumindest ein Justizaufreger. Kalt lässt die Entscheidung des St. Pöltner Schöffengerichts keinen.
Im Zweifel für den Angeklagten
Zum Freispruch des Somaliers und des Afghanen kam es, weil der Schöffensenat im Zweifel für die Angeklagten entschieden hat. Das mutmaßliche Opfer soll Abweichungen in den Schilderungen des Tatablaufs bei einer rund drei Stunden langen kontradiktorischen Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft St. Pölten gemacht haben.
Täter über DNA-Massentest gefasst
Dass das 15-jährige Mädchen zum Sex gezwungen worden wäre, spielte offenbar dann nur noch eine untergeordnete Rolle bei Gericht, auch dass die mutmaßlichen Täter mittels DNA-Massentest unter den Asylwerbern in Tulln gefasst werden konnten, weiters, dass auf der Hose des Mädchens Spermareste gesichert werden konnten, die von den beiden Männern stammen, oder dass am Rücken, den Oberschenkeln und Knien Kratzspuren festgestellt wurden.
Nebensächlichkeiten wurden zur Hauptsache
In den Schilderungen des Tathergangs gab es also Widersprüche, kleine Details, die zum Freispruch der Männer führten. Unzensuriert hat nun mit einem Wiener Mädchen, 25, gesprochen, das selbst Opfer einer sexuellen Belästigung durch einen türkischstämmigen Taxifahrer wurde. Bei der Befragung durch die Kriminalpolizei, erzählt sie, wären plötzlich Nebensächlichkeiten zur Hauptsache geworden.
“Habe mich als Beschuldigte gefühlt”
Sie erinnert sich, dass es bei der Einvernahme lange Zeit nur darum ging, ob sie alkoholisiert ins Taxi gestiegen sei und ob sie mit Freunden zuvor Streit gehabt hätte. Dies habe der Taxilenker nämlich ausgesagt und so versucht, ihre Darstellung der sexuellen Belästigung ins Land der Märchen zu verbannen. “Da habe ich mich zeitweise nicht mehr als Oper, sondern als Beschuldigte gefühlt,” sagt die 25-Jährige, die zugibt, sich nicht mehr an alle Details erinnert und bei manchen Fakten auch widersprüchliche Antworten gegeben zu haben.
Taxilenker wegen mutmaßlichen Vergewaltigungen gesucht
Als sie aus dem Taxi flüchtete, konnte sie sich aber jedenfalls das Kennzeichen merken. Der Mann wurde so ausgeforscht. Und als die Polizei DNA-Spuren des Taxlers sicherte, kam heraus, dass der Verdächtige bereits in den Jahren 2010 und 2011 sexuelle Übergriffe auf zwei Frauen verübt haben soll. Es handelt sich dabei um zwei Vergewaltigungen, ein Mädchen, über das er im Auto herfiel, soll noch Jungfrau gewesen sein.
Die 25-Jährige, die knapp einer Vergewaltigung entging, kann mit dem mutmaßlichen Opfer in Tulln mitfühlen. Auch sie habe sich bei Nebensächlichkeiten manchmal in Widersprüche verstrickt, “das passiert halt”, meint sie, “aber das mindert doch nicht die Tat selbst”.
Höchste Fluchtgefahr für mutmaßliche Täter
Eine Hoffnung haben das mutmaßliche Vergewaltigungsopfer von Tulln und ihre Eltern noch: Die Staatsanwaltschaft meldete Nichtigkeitsbeschwerde an, damit sind die Urteile gegen die beiden Asylwerber nicht rechtskräftig. Opfer-Anwalt Ewald Stadler warnt aber: Es bestehe höchste Fluchtgefahr. Stadler gegenüber Medien: “Sie werden nicht warten, bis sie wieder abgeholt werden.”
Blauer Landesrat streicht Asylwerbern Grundversorgung
In Niederösterreich selbst hat der Vorfall jedenfalls für heftige Reaktionen gesorgt: Der blaue Landesrat, Gottfried Waldhäusl, verkündete am Mittwoch, dass dem Afghanen und dem Somalier die Grundversorgung gestrichen werde. Über das Warum wolle man aus “datenschutzrechtlichen Gründen” aber nicht sprechen. Sein Parteichef, FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache bezeichnete den vorläufigen Ausgang des Verfahrens als “unerträglich und skandalös”.