Der Grundwehrdienst war in Österreich immer ein Spielball der Politik. Die Wehrpflicht wurde 1955 auf neun Monate festgesetzt, ein mathematisch orientierter Kompromiss, denn die ÖVP forderte zwölf Monate, und die SPÖ trat für eine sechsmonatige Wehrdienstzeit ein, wobei jeder der beiden Dienstzeitvorschläge für sich praktikabler gewesen wären, der erste (ÖVP) für ein stehendes Heer, der zweite (SPÖ) für eine Miliz. Es darf hier am Rande erwähnt werden, dass damals fast alle Staaten mit Wehrpflichtarmeen einen Grundwehrdienst von mehr als zwölf bis 24 Monaten vorsahen. Und es war die SPÖ, die unter ihrem Vorsitzenden Bruno Kreisky mit dem Wahlspruch “Sechs Monate sind genug” in die Nationalratswahl 1970 zog und damit sicherlich die Stimmen jener jungen Männer gewann, die nur noch sechs Monate einrücken wollten. Es war sicher ein Wahlzuckerl, das zumindest für das eine oder andere zusätzliche Mandat sorgte.
Gastbeitrag von Harald Pöcher
Der heute nur noch sechs Monate andauernde Grundwehrdienst ist eine unmittelbare Auswirkung der Fehlentwicklungen der österreichischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, deren Grundlagen durch die Bundesheer-Reformkommission 2010 entwickelt und auch von allen damals wesentlichen Entscheidungsträgern der Republik Österreich dankend abgesegnet wurde, da im Endbericht zwar viele genial ausformulierte, nichtssagende Stehsätze beinhaltet sind, aber es keine Aussagen über die konkrete Höhe des Verteidigungsbudget gibt, jedoch ein sechsmonatiger Grundwehrdienst gefordert wurde – ganz nach dem Motto “Koste es was es wolle”.
Ausverkauf von Bundesvermögen
Mit dem Bericht der Reformkommission 2010 und der daran anschließenden Umsetzung durch das Management 2010 wurde nicht nur das geringe Verteidigungsbudget in Stein gemeißelt, sondern es wurden unter dem Applaus der damaligen Bundesregierung auch “grob fahrlässig” der Ausverkauf von Bundesvermögen gerechtfertigt und das Bundesheer dadurch seiner ohnehin geringen Schlagkraft weiter beraubt. Wie man im Aufsatz “Zehn Jahre SPÖ–Verteidigungsminister: Fast zehn verlorene Jahre”, erschienen in unzensuriert, nachlesen kann, haben die damaligen SPÖ-Verteidigungsminister dem Bundesheer die Kraft zum Streiten genommen, sodass man beim Bundesheer kaum noch von Streitkräften sprechen kann. Erst seit der Übernahme der Ressortverantwortung durch die FPÖ wird wieder versucht, das Bundesheer zu stärken.
Besseres “bewaffnetes technisches Hilfswerk”
Da man damals auch keine ernsthafte konventionelle Bedrohung erkennen wollte, rechtfertigte man damit auch die Reduktion der Dauer des Grundwehrdienstes von acht auf sechs Monate und zerstörte so unter bewusster Ignorierung verfassungsgesetzlicher Bestimmungen den Aufwuchs der Miliz. Das Bundesheer wurde mit all den oben dargestellten Maßnahmen zu einem besseren “bewaffneten technischen Hilfswerk” degradiert, das auch Soldaten ins Ausland entsenden kann.
Die echte militärische Landesverteidigung wurde durch faktisches Tun zum toten Recht erklärt, eine mögliche Außerkraftsetzung dieser Bestimmung gelang der Regierung damals nicht, da sie nicht über eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament verfügte.
Bekenntnis zur militärischen Landesverteidigung
Die Zeiten haben sich seither stark geändert, und es ist wieder höchst an der Zeit, die militärische Landesverteidigung in den Vordergrund rücken zu lassen. Der FPÖ-Verteidigungsminister, der Generalsekretär und der Generalstabschef sehen dies auch eindeutig so und haben sich diesbezüglich schon des Öfteren in der Öffentlichkeit dazu bekannt. Dieser eindeutige Wille des Ressortleiters ist nun zeitnah mit Leben zu erfüllen, da Streitkräfte, die für den Zweck der militärischen Landesverteidigung gut ausgebildet und gut ausgerüstet sind, auch alle anderen Szenarien wie etwa Auslandseinsätze oder Katastropheneinsätze mit den vorhandenen Kapazitäten leicht bewerkstelligen können.
Willen des Gesetzgebers in die Praxis umsetzen
Es sollen in diesem Aufsatz bewusst nicht jene politischen Entscheidungsträger und ihre willfährigen Werkzeuge unter den hochrangigen Kadersoldaten und in der zivilen Beamtenschaft an den Pranger gestellt und namentlich genannt werden, die maßgeblich an der Demontage des Bundesheeres mitgewirkt haben. Aber es heißt heute umdenken und der Ausgestaltung der militärischen Landesverteidigung rasch jene Mittel zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um den Willen des Gesetzgebers auch in die Praxis umzusetzen. Und dazu gehört auch bestausgebildetes Kaderpersonal und Rekruten.
In sechs Monaten keine vollwertige Ausbildung möglich
Betrachtet man die militärische Landschaft in Europa, so verfügen zwar der Großteil der Staaten in Europa über Freiwilligenstreitkräfte, aber eine Handvoll – zumeist neutraler – Staaten haben die Wehrpflicht beibehalten. In all diesen Staaten ist die Dauer der Wehrpflicht länger als in Österreich, nämlich zwischen acht und zwölf Monaten, oft auch bedarfsorientiert. Diese Staaten haben dabei auch einen guten Grund, der lautet: Einsatzorientierte Streitkräfte müssen ihr Personal so gut ausbilden, dass es im Einsatz eine hohe Überlebenswahrscheinlichkeit hat. Und all diese Länder kamen zum Schluss,dass man während sechs Monaten keinen feldverwendungsfähigen Soldaten mit einer hohen Überlebenswahrscheinlichkeit ausbilden kann.
Höhere Überlebens-Chance im Einsatz
Es sollte daher auch in Österreich eine seriöse Diskussion geführt werden, ob man nicht doch wieder den Grundwehrdienst für Wehrpflichtige auf acht Monate anheben sollte und dadurch Soldaten erhält, die im Einsatz eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit haben und die der Miliz in einer höheren Nährrate zur Verfügung stehen als dies heute der Fall ist..
Als habilitierter Militärwissenschaftler hat der Autor seit Jahrzehnten die “Österreichische Sicherheits- und Verteidigungspolitik” weit oben auf seiner Liste der Forschungsvorhaben und veröffentlicht periodisch seine Meinung zu aktuellen Themen der österreichischen Sicherheits-, Verteidigungs- und Friedenspolitik, insbesondere zum Zustand des österreichischen Bundesheeres als das wesentliche Mittel der praktischen Durchsetzung der genannten Politikfelder.