Auch an diesem Wochenende demonstrieren die Franzosen wieder, wenngleich weniger als an den letzten. Nach dem Terroranschlag von Straßburg am Dienstag hatte die französische Regierung an die “Gelbwesten” appelliert, an diesem Wochenende nicht zu demonstrieren.
Steuerungerechtigkeit als Auslöser
Man weiß nach wie vor nicht genau, wogegen oder wofür “Gelbwesten” auf die Straße gehen. Ausgangspunkt waren erhöhte Steuern. So richtete die Begründerin der Bewegung, Priscillia Ludosky, bei der Demonstration am 15. Dezember auf dem Pariser Opernplatz einen flammenden Appell an Emmanuel Macron:
Herr Präsident, wir sind erschöpft, wir sind voll Wut und unser einziges Mittel, das zu zeigen, sind diese Gelben Westen . Wir werden von dem enormen Steuerdruck erschlagen, während eine kleine Elite es immer wieder schafft, keine Steuern zu zahlen.
Macron – Darling der Linken nicht umsonst
Doch inzwischen erfasst der Protest die unterschiedlichsten Themen und es schält sich langsam heraus, dass die “Gelbwesten” vom Gefühl geleitet werden, von Macron betrogen worden zu sein. Außerdem meinen sie, dass “dieses Land nicht mehr ihr Land” ist, wie die Welt analysierte. Doch daran hatte gerade Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nie einen Zweifel gelassen. Nicht umsonst bekam der smarte Franzose die ganze Liebe der europäischen Linken ab, sondern für sein Bekenntnis: “Es gibt keine französische Kultur, es gibt eine Kultur in Frankreich, und die ist vielfältig.”
Die Einwanderer der ersten, zweiten und dritten Generation sind den Protesten ferngeblieben. Immer mehr rückt die Ablehnung der Masseneinwanderung ins Visier der Demonstranten.
Rücktrittsaufforderungen an Macron
Unmittelbar nach dem Wahlsieg von Emmanuel Macron hatte die Presse erleichtert festgehalten, dass die “Franzosen für Europa und die Vernunft gestimmt haben.” Die gesamte Politikerkaste, von wirtschaftsliberal bis links, erfreute sich am Wahlsieg Macrons. Folglich wünschten sich sogar 57 Prozent der Bundesbürger eine Partei wie Macrons “En Marche”.
Doch am 15. Dezember schallte die unmissverständliche Aufforderung “Macron, Rücktritt” über den Pariser Opernplatz. Wie vergangene Woche waren auch an diesem Samstag wieder rund 8.000 Polizisten und 14 gepanzerte Fahrzeuge im Einsatz gegen die Bevölkerung.
Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Die Franzosen, die von Kindesbeinen an hören, dass ihre Nation nicht nur die älteste, sondern auch die würdigste, eigentlich DIE europäische Kulturnation sei, diese Franzosen erkennen, dass der Anspruch schon lange nicht mehr zur Wirklichkeit passt. Weder ist Frankreich kulturell tonangebend, noch kann es sich wirtschaftlich solche Überheblichkeiten leisten. Macron ist nur ein Sinnbild für diese Kluft zwischen Traum und Wirklichkeit, die immer deutlicher zutage tritt.
Flasche Politik durchschaut
In seiner Abgehobenheit setzte Macron daher auch auf das falsche Pferd. In seiner TV-Ansprache an die Bevölkerung versprach er, den Mindestlohn merklich zu erhöhen, niedrige Renten von Sozialabgaben zu befreien und Überstunden fortan nicht mehr zu besteuern. Doch die “Gelbwesten”, die sich keineswegs aus der untersten sozialen Schicht rekrutieren, erkannten sofort, dass sich der Präsident die Protestierer lediglich kaufen wolle, und gaben sich mit seinen Zugeständnissen nicht zufrieden. Die grundsätzlichen Probleme klammerte Macron aus – wie fast alle westlichen Regierungschefs und EU-Repräsentanten.
Frankreichs grundsätzliche Probleme
Frankreich hat eine hohe zweistellige Zahl an Einwohnern afrikanischer Herkunft, die ebenso wie in allen anderen europäischen Staaten weit überproportional von Sozialleistungen leben und weit überproportional an Kriminalität beteiligt sind. Das müssen die Steuerzahler erst einmal finanzieren. Dazu ist Frankreich außerhalb der prosperierenden großen Städte großflächig verfallen und arm. Französische Produkte sind bis auf wenige Spezialgebiete weder qualitativ gut noch international wettbewerbsfähig. Wer das versteht, kann die richtigen Maßnahmen ergreifen. Höhere Sozialleistungen gehören nicht dazu.