Europaweit wird im laufenden EU-Wahlkampf fleißig um die Wählerstimmen geworben. Ein Musterbeispiel, wie Werbung plötzlich in Anti-Werbung umschlagen kann, liefert aktuell die Schwesterpartei von Kanzler Sebastian Kurz ÖVP, die Südtiroler Volkspartei (SVP).
Bekenntnis zu Tirol auf deutschem Plakat
Seit einigen Tagen hängen im ganzen Land Plakate mit dem Bild des SVP-Kandidaten Herbert Dorfmann. Mit dem Werbespruch “26. Mai: Unser Südtiroler für Europa – Herbert Dorfmann” will man die deutschen Wählerstimmen gewinnen.
Was es dafür noch braucht? Natürlich das tiefe Bekenntnis zu Tirol! Also findet man auf dem Plakat auch die Abbildung einer Kirche, der Drei Zinnen, einer Hütte und der Tiroler Fahne nebst einer EU-Fahne. Das wird wohl schon reichen, um die Südtiroler bei der SVP-Stange zu halten.
Gründungsidee einer deutschen Sammelbewegung
Die SVP war einst als Sammelpartei aller Deutschen und Ladiner gegründet worden und kämpfte jahrzehntelang gegen die Italienisierung an. 1988 vertrat die damals konservative, sich als Opposition zu Italien verstehende Partei noch 90 Prozent der Südtiroler Stimmen. Bei den Landtagswahlen 2018 wählten jedoch nur noch 41,9 Prozent die SVP, die sich mehr und mehr zur Politnomenklatura des Landes entwickelte, die primär an den Schalthebeln der Macht bleiben wollte.
Für dieses Ziel hat sie sich in den letzten Jahren an die italienische Bevölkerung in Südtirol und an die italienische Linke angelehnt. Im Oktober 2018 warb sie in der meistgelesenen italienischsprachigen Tageszeitung Alto Adige erstmals auf Italienisch.
Tirol-Bekenntnis wegretuschiert
Der Logik des Machterhalts folgend, gibt es auch im laufenden EU-Wahlkampf SVP-Wahlplakate auf Italienisch. Auf dem Dorfmann-Plakat heißt es dann: “26 maggio: La voce forte per la nostra terra – Herbert Dorfmann”.
Doch nicht alles ist gleich, ein Detail fehlt bei der italienischen Ausgabe des Plakats: die Tiroler Fahne. Die ist wegretuschiert.
Verbundenheit mit Tirol als Wahlkampf-Gag
Den Tirolern im Land wird vorgegaukelt, man stehe “wie eh und je” zu Tirol und seiner autochthonen Bevölkerung, den Italienern genau das Gegenteil.
Die Manipulation des Plakat-Sujets zeigt, wie weit die Verbundenheit der SVP mit Tirol wirklich reicht: Sie wirft ihr Bekenntnis zum Land schnell über Bord, wenn es darum geht, an der Macht zu bleiben. Die Tirol-Fahne dient nur als Wahlkampf-Gag.