Die Veröffentlichung des mehrstündigen Filmes, der der Ertrag einer Videofalle war, die Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus vor zwei Jahren unter größtem Aufwand gestellt wurde, wird aktuell von den Leitmedien als “erfolgreicher”, als “guter” Journalismus gefeiert. Einer der für die Veröffentlichung zuständigen Spiegel-Redakteure, Martin Knobbe, nahm jüngst deshalb ganz selbstverständlich in Anne Wills Talkrunde in der ARD Platz.
Europa vor dem Abgrund
Staatsfunk und Spiegel waren sich einig: Der zwei Jahre alte Ibiza-Dreh verrate und dokumentiere die finsteren Pläne der europäischen Rechtspopulisten und mache sie “unwählbar”. Mittlerweile mehren sich jedoch Stimmen außerhalb des Medien-Establishments, die den Ibiza-Fall nüchterner sehen und auf die Gefahren hinweisen, die aus dieser Art des “Journalismus” für die Gesamtgesellschaft entsteht.
Straftatbestand erfüllt
Denn mit der Veröffentlichung gelten in Medienlandschaft und Politik nunmehr andere Spielregeln – Videofallen, die heimliche Aufzeichnung von Gesprächen von Regierungspolitikern aus dem Intimbereich zeigen: Sie sind nunmehr nicht nur erlaubt, sondern dürften künftig zum festen Bestandteil der politischen Auseinandersetzung werden. Der Fall “Relotius” wäre möglicherweise ein viel umfangreicherer Skandal geworden, hätten der Öffentlichkeit heimlich aufgezeichnete Gespräche zwischen dem vielfach preisgekrönten Berufsfälscher Claas Relotius und seinen jahrelang wegschauenden Mentoren und Förderern in der Spiegel-Redaktion vorgelegen.
Kriminelle Tat
Datenschützer Stefan Brink, seit 2016 Landesbeauftragter für den Datenschutz des Landes Baden-Württemberg, wurde bereits kurz nach Veröffentlichung des Strache-Videos deutlich: Der Dreh auf Ibiza sei eine “kriminelle Tat”, die Veröffentlichung “kein Ruhmesblatt” von Spiegel und Süddeutscher Zeitung. Brink erklärte auf Twitter:
Wenn wir politische Gegner hintergehen und sogar kriminelles Unrecht begehen, schaden wir letzten Endes unserer politischen Kultur und damit uns allen.
Wenn wir politische Gegner hintergehen, ihre #Privatsphäre verletzen u sogar kriminelles Unrecht begehen, schaden wir letzten Endes unserer politischen #Kultur u damit uns allen
Kein Ruhmesblatt ?@DerSPIEGEL? ?@SZ?#strachevideo #Ibizagatehttps://t.co/mL2q13Jd8x
– LfDI Baden-Württemberg (@lfdi_bw) May 18, 2019
Zudem sagte Brink in der Welt, dass Politiker nicht mehr ihren Job machen könnten, wenn sie sich darauf einstellen müssten, abgehört und aufgezeichnet zu werden. Brink sah sich sofort dem Vorwurf ausgesetzt, “Rechtsextreme zu schützen”. Dieser wurde insbesondere von Sascha Lobo erhoben. Der Mann mit dem roten Irokesenschnitt ist auf dem äußerst linken Rand unterwegs und Stammgast in Talk-Runden von ARD und ZDF. Vielsagend: Lobo berät die SPD in Sachen Netzpolitik.
Gleichwohl bekräftigte Datenschützer Brink seine Kritik an der Vorgehensweise erneut und hielt den Anwürfen stand: “Datenschutz ist ein Grundrecht und gilt für alle”. Ob dieses Grundrecht tatsächlich künftig für alle – also auch für Politiker und Journalisten – bestehen bleibt, dürfte angesichts des Ibiza-Videos tatsächlich zweifelhaft sein.
Sittenverfall wird zur Gewohnheit
Die durch Spiegel und Süddeutsche nun vorangetriebene Verwilderung der Sitten könnte auch noch eine andere gravierende Folge haben. Denn die Methode Video-Falle, die z.B. der russische Geheimdienst als “Kompromat” perfektionierte, kann im Grunde durch jeden Dienst der Welt bewerkstelligt werden – die Abhör-, Verwanzungs- und Videotechnik hat gerade über die letzten Jahre große Sprünge gemacht.
Da diese Art Urheber nun das öffentliche Signal bekommen haben, dass die Qualitätsmedien Material aus diesen trüben Quellen anstandslos – und auf politisch verwertbare Drei-Minuten-Szenen komprimiert – veröffentlichen, entstehen für jene Geheimdienstpraxis außerhalb der Nutzung im privaten Umfeld (z.B. durch Zerstörung von Beziehungen) noch weitaus größere Chancen. Denn es ist nunmehr mit dieser Technik möglich, gewählte Regierungen unmittelbar zu stürzen. Ein unheimlicher Spielraum, der von den nun über den Coup jubelnden Leitmedien wohl erst später in seiner ganzen Tragweite vermessen werden wird.
SPD hat die Finger im Spiel
In diesem Zusammenhang ist interessant, was der jüngst auf Betreiben der SPD-Spitze geschasste Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BVS) den Medien sagte. Hans-Georg Maaßen hatte seinen Posten verloren, als er das von der Bundesregierung in die Welt gesetzte Narrativ, es wäre in Chemnitz zu “Hetzjagden” auf Ausländer gekommen, als Erfindung der Medien und Desinformation bezeichnete. Er warnte kurz vor seinem Rückzug vor linksradikalen Kreisen in der SPD, die die Volkspartei zu steuern beginnen würden. In einem Gastbeitrag für die Bild sagte Maaßen, die Veröffentlichung des Materials aus einer Video-Falle sei der eigentliche Skandal: “Der Einsatz derartiger aktiver Maßnahmen ist ein Tabubruch”. Er verwies ebenfalls auf mögliche Folgen dieser kriminellen Methoden (Audio- und Video-Aufnahme ohne Einwilligung) für die politische Landschaft.
Maaßens Einblick
Für Maaßen ist es möglich, dass aufgrund von Aufwands und Technik ausländische Dienste hinter der über Monate vorbereiteten Falle steckten. Auch das linksextreme Milieu – möglicherweise entsprechend aufgerüstet – käme in Frage, denn “für viele linke und linksextreme Aktivisten rechtfertigt der ,Kampf gegen rechts’ jedes Mittel”. Auch der Name Tal Silberstein fällt im Gastbeitrag des Geheimdienst-Experten. Er verweist auf das “Dirty-Campaigning”-Muster, das der israelische Stimmungsmacher in den österreichischen Wahlkampf zugunsten der SPÖ damals in Österreich eingeführt hatte.
Maaßen ergänzte:
Die spannendsten Akte werde hoffentlich noch folgen: Die Akte, in denen es um die Hintermänner der Videofalle geht.
Stichwort Hintermänner: Bemerkenswert ist, dass das Interesse an der Aufdeckung dieser Hintermänner recht verhalten ist – und das, obwohl mittlerweile das Gesicht der angeblichen Oligarchen-Nichte um die Welt geht und die online buchbare Finca und der Nobel-Mietwagen doch bezahlt worden sein müssen. Spuren gibt es also reichlich. Es könnte aber sein, dass angesichts der Verstrickungen im Hintergrund der Video-Falle sehr viele Spieler ein Interesse daran haben werden, dass das auch so bleibt – Regierungsmitglieder anderer Staaten, Politiker anderer Parteien und Chefredakteure der Qualitätsmedien inbegriffen.
Alle Artikel zum “Ibiza-Video” finden Sie hier.