Mühsame acht Monate zogen seit der Parlamentswahl in Belgien ins Land, weil die bisher Mächtigen und an den Futtertrögen sitzenden Wahlverlierer den Sieger Bart De Wever und seine rechte Partei Neu-Flämische Allianz (N-VA) von der Regierungsverantwortung ausschließen wollten. Dabei war die N-VA bei den Wahlen im Juni 2024 als stärkste Kraft hervorgegangen, gefolgt von der ebenfalls rechten flämischen Partei Vlaams Belang.
Traditionell lange Regierungsverhandlungen
Regierungsbildungen dauern in Belgien stets lange. Denn das föderale Parlament ist zersplittert, da viele Parteien entweder nur für die flämische Region Flandern im Norden, für die Brüsseler Hauptstadtregion oder für den französischen Süden, in der Wallonie, antreten. Nach der Wahl 2019 hatte es 493 Tage gebraucht, bis eine Regierung zustande gekommen war, 2010 gar 541 Tage, jetzt „nur“ rund 240 Tage.
Belgien rückt nach rechts
Seit Juli hatte der Wahlsieger De Wever mit Vertretern von vier Parteien über die Bildung einer Koalition verhandelt. Nun ist es soweit: Belgien erhält erstmals einen dezidiert rechten Ministerpräsident. Der 54-Jährige leistete heute, Montag, seinen Amtseid vor König Philippe im belgischen Königspalast in Brüssel.
Konflikt Flamen gegen Wallonen
De Wever stammt aus der flämischen Volksgruppe, die dem germanischen Kulturkreis zuzuordnen ist. Seit Jahrzehnten raufen sich die beiden Volksgruppen der Flamen und Wallonen mehr schlecht als recht zusammen. Die knapp sechs Millionen Flamen stellen etwa 60 Prozent der belgischen Bevölkerung. Im Grenzgebiet im Osten leben als dritte Volksgruppe Deutsche, die außerhalb des Kulturstreits stehen.
Kein Zusammengehörigkeitsgefühl
1970 wurde die Verfassung erneuert, wobei die drei Regionen Wallonien, Flandern und Brüssel gegründet wurden. Weil Brüssel als Hauptstadt von Flamen und Franzosen bewohnt wird, erhielt es einen eigenen Status. Die Parteien vertreten meist nur ihre jeweils eigene Volksgruppe. Es gibt zwar eine Zusammenarbeit mit der „ideologischen Schwesterpartei“ aus der anderen Landeshälfte, aber die ist gering. Tendenz sinkend.
Flamen finanzieren Wallonen
De Wever hatte sich früher für die Unabhängigkeit Flanderns eingesetzt, die Position zuletzt aber abgemildert. Dabei geht es auch und besonders ums Geld, denn sechs bis acht Milliarden Euro fließen alljährlich aus dem fleißigen Flandern in die weniger engagierte Wallonie ab. Jede flämische Familie zahlt jedes Jahr 1.500 Euro allein an Finanzausgleich für die Franzosen.
Koalition gelungen
Entsprechend spießten sich die Koalitionsverhandlungen an der Budgetgestaltung. Während sich die N-VA für Kürzungen bei Sozialleitungen und eine Rentenreform einsetzte, kam von den Gewerkschaften ein selbstsicheres Nein dazu. Dennoch gelang am Freitag eine Einigung der N-VA mit der liberalen Partei MR und der zentristischen Partei Les Engages (die Engagierten) sowie den flämischen Christdemokraten und den flämischen Sozialisten. Insgesamt stellt die Koalition 81 der 150 Abgeordneten im Parlament in Brüssel.