Voraussichtlich am 25. September wird in Italien eine neue Regierung gewählt. Das Wahlrecht zwingt zur Absprache, da zwei Drittel der Mandate in Einzelwahlkreisen nach britischem Mehrheitswahlrecht vergeben werden. Für die restlichen Mandate im Verhältniswahlrecht wie in Österreich gilt es, eine Hürde von drei Prozent zu überwinden.
Einigkeit und Geschlossenheit auf rechter Seite
Daher fand diese Woche das erste Führungstreffen zwischen den drei rechten Parteien statt: Giorgia Melonis „Brüder Italiens“ (FdI), Matteo Salvinis Lega und Silvio Berlusconis Forza Italia (FI).
Offensichtlich wurde man sich in allen Fragen einig: von Entbürokratisierung, Steuersenkung, Autonomie/Regionalismus (für die Lega wichtig, Salvini will damit im Norden punkten) bis Gegensteuerung bei der Einwanderung.
Stärkste Partei stellt den Ministerpräsidenten
Die stärkste Partei des Bündnisses wird den Ministerpräsidenten stellen, womit Meloni schon jetzt fix wäre. Allerdings zeigen Lega und FI, besonders Berlusconi, der ehemalige Ministerpräsident, noch Vorbehalte.
Linke italienische Medien behaupten, Lega und FI würden Meloni für das Amt nicht für geeignet halten, rechte Medien (gibt es in Italien!) signalisieren ein taktisches Vorgehen. Meloni wurde nicht automatisch zur Anwärterin für das Ministerpräsidentenamt nominiert, weil Enrico Letta, der Spitzenkandidat der Linksdemokraten (PD) sonst die „faschistische“ Karte (vergleichbar in Österreich mit der “Nazi-Keule”) gegen sie ausgespielt hätte. So aber gebe es drei Spitzenkandidaten auf der rechten Seite – und die Wähler haben die Entscheidung, wen sie zum ersten und damit zum Ministerpräsidenten machen.
Pakt zwischen Lega und FI
Zudem heißt es in der Übereinkunft der Rechtsparteien, dass die stärkste Partei den Ministerpräsidenten nominiert, es also nicht automatisch der Spitzenkandidat für die Parlamentswahlen sein muss. Meloni könnte jemand anderen nominieren.
Vor allem Berlusconi warnte, die gemäßigte und von der linken Negativpropaganda eingeschüchterte Wählerschaft in der Mitte nicht zu verschrecken. Zudem heißt es hinter den Kulissen, könnten Lega und FI noch ein Wort mitreden, sollten sie gemeinsam mehr Mandate erreichen als die „Brüder Italiens“.
Darin zeigt sich der neue Pakt zwischen Lega und FI, der in den anderthalb Jahren entstanden ist, in denen sie die Regierung Draghi unterstützt haben. Meloni blieb ja in der Opposition.
Abschätzung zum Wahlverhalten schwierig
Eine Einigung gab es jedenfalls auch bei den Wahlkreisen, deren Grenzen neu gezogen wurden, da das Parlament um ein Drittel verkleinert wird. Eine genaue Abschätzung zum Wahlverhalten ist deshalb etwas erschwert.
44 Prozent der Wahlkreise gehen wohl an die „Brüder Italiens“, 32 Prozent an die Lega, 19 Prozent an FI/UdC (UdC sind die Reste der rechten Christdemokraten, die sich Berlusconi angeschlossen haben) und fünf Prozent an kleinere Verbündete, meist Abspaltungen von FI/UdC. Vor allem bei FI ist eine Säuberung im Gange, indem jene Abgeordneten nicht mehr aufgestellt werden, die in der Regierung mit dem linken PD flirteten und in der Regierungskrise die Koalition mit dem PD retten wollten.
Getrennter Antritt
Es wird keine Einheitsliste geben, kein gemeinsames Logo. Jede Partei des Mitte-rechts-Bündnisses wird mit seinem Namen und seinem Symbol antreten.
Mitte-links-Bündnis geschlossen
Auf der linken Seite (und nur darüber berichtet der ORF) haben sich PD und die Abspaltung Azione von Carlo Calenda auf ein Bündnis geeinigt.
Calenda erhält sagenhafte 30 Prozent der Wahlkreise, in denen er die Kandidaten bestimmen kann. Die Partei stellte sich bisher noch keiner Wahl, da sie erst Ende 2019 entstanden ist, als Calenda den PD verließ. Ihre Mandatare sind ausnahmslos Überläufer. Zuerst saßen sie im Europäischen Parlament bei den Sozialdemokraten, inzwischen bei den Liberalen.
Stress auf linker Seite groß
Der Stress beim PD und seinem Spitzenkandidaten Enrico Letta muss groß sein. Im Gegenzug wird nämlich Matteo Renzi, ehemaliger PD-Chef und Ministerpräsident, mit seiner Partei Italia viva dem Bündnis nicht beitreten, sondern im Alleingang bei den Wahlen antreten (und damit scheitern). Renzi ist also draußen, man setzt auf Calenda, einen klassischen Vertreter des globalistischen Establishments, „liberalökologisch“, einer der lautstärksten Verfechter gegen die Bewegung, die wieder mehr Souveränität für Italien erreichen will.
Wahlkampf-Strategien
Letta will einen Anti-rechts-Wahlkampf führen, um die frustrierten Linkswähler zu motivieren und die gemäßigten Wähler abzuschrecken, das Rechtsbündnis zu wählen.
Das Mitte-rechts-Bündnis zieht mit dem Motto „gegen das Establishment und die Spaltung“ in den Wahlkampf. Und es versucht, mit Geschlossenheit („volle Übereinstimmung“) zu punkten, was ihm in diesen Tagen zumindest gut gelingt.
Die Linke versucht, mit der Angst vor einer Rechtsregierung zu mobilisieren, aber sie blockiert sich selbst mit Vetos (entweder Renzi oder Calenda).
Nebenschauplätze
Die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), die bei der letzten Wahl 2018 stimmenstärkste Kraft gewesen war, ist mit endlosem internen Streit beschäftigt, da der Kampf um die wenigen Mandate tobt, mit denen noch zu rechnen ist.
Mit Azione Italia hat sich vor wenigen Wochen eine neue Anti-Corona- und Souveränitäts-Partei gebildet, angeführt vom Rechtsanwalt Mario Gallo. Sie verfügt bisher nur über drei Landesgruppen in Süditalien. Dort geht es um das Erbe der M5S, die bei den Wahlen 2018 in Süditalien fast flächendeckend abgeräumt hatte. Aber solche neuen Gruppen haben keine Chance, da müssten sie schon ein Genie an der Spitze haben, das sich mediale Aufmerksamkeit erkämpft.