Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) wird morgen, Montag, den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau zu einem Gespräch treffen, wie er heute, Sonntag, vor Journalisten in Wien ankündigte. In der Ukraine herrscht darüber offenbar blankes Entsetzen.
Treffen zum jetzigen Zeitpunkt sinnlos
Über diese Reise berichtete die bundesdeutsche Bild mit dem Titel „Ukraine entsetzt über Ösi-Kanzler“ und zitierte im Artikel einen ukrainischen Diplomaten:
Was für eine Selbstüberschätzung des österreichischen Kanzlers, dass er ernsthaft glaubt, eine Reise zum jetzigen Zeitpunkt hätte irgendeinen Sinn, nachdem Putin gezeigt hat, was für ein brutaler Kriegsverbrecher er ist.
“Ich verstehe nicht, wie zu dieser Zeit ein Gespräch mit Putin geführt werden kann”
Sergej Orlow, Vize-Bürgermeister von Mariupol, das seit Wochen keine Strom- und Wasserversorgung und keinen Zugang zu Lebensmitteln und Medikamenten hat, reagierte laut Bild ebenfalls entsetzt auf den Nehammer-Plan. In der Bild-Live Sendung „Die richtigen Fragen“ sagte er:
Das gehört sich nicht zur heutigen Zeit. Die Kriegsverbrechen, die Russland gerade auf dem ukrainischen Boden begeht, finden weiterhin statt. Das, was wir in Butscha gesehen haben – das ist möglicherweise in Mariupol noch schlimmer gewesen, auch wenn die russische Armee sich bemüht, die Verbrechen zu verschleiern. Ich verstehe nicht, wie in dieser Zeit ein Gespräch mit Putin geführt werden kann, wie mit ihm Geschäfte geführt werden können.
Nur eine PR-Show
Und von EU-Politikern hieß es gegenüber der Bild:
Es sieht aus wie eine PR-Show von Nehammer.
Von Problemen zuhause ablenken
Wahrscheinlich trifft diese Aussage den Nagel genau auf den Kopf. Zuhause durch den ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss, Teuerungswelle und „Cobra-Affäre“ schwer unter Druck geraten, möchte Nehammer mit seinen Auslandsreisen wohl von seinen Problemen ablenken. Das gelang schon nicht mit seiner hochpeinlichen Reise nach Katar, bei der sich im Nachhinein herausstellte, dass es sich – wie die Kronen Zeitung schrieb – um eine „Gaslüge“ handelte.
Als Nehammer gestern, Samstag, begleitet von eigenen Pressefotografen, medienwirksam den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj besuchte, bezeichneten viele Kriegsbeobachter das Treffen als “völlig sinnlos“.
Kickl: “Neutralitätsfeindliche Schwerpunktsetzung”
FPÖ-Parteichef Herbert Kickl sagte in einer Aussendung, dass der Ukraine-Besuch von Nehammer eine falsche und neutralitätsfeindliche Schwerpunktsetzung gewesen sei. Überdies sei der Besuch beim ukrainischen Präsidenten auch ein weiterer Ausdruck „einer völligen Verabschiedung von der aktiven österreichischen Neutralitätspolitik“, die ihre Aufgabe eigentlich in Vermittlungen für eine rasche Beendigung dieses furchtbaren Krieges sehen müsste. Nehammer zerstöre aber mit seiner nicht durchdachten Aktion mutwillig unser Neutralitätserbe, das über Jahrzehnte aufgebaut worden wäre.
Einpeitscher von Sanktionen gegen Russland
Möglicherweise nahm sich der ÖVP-Bundeskanzler Kickls Kritik zu Herzen und will nun zeigen, dass er auch als „Brückenbauer“ gute Figur macht. Doch der Zeitpunkt ist schlecht gewählt und seine Glaubwürdigkeit gegenüber Putin am Tiefpunkt, nachdem Nehammer permanent als Einpeitscher für Sanktionen gegen Russland aufgetreten ist.