Nichts gelernt hat Österreichs Boulevard offensichtlich aus der neuen Inseraten-Affäre. Insbesondere die von der Regierung durch Werbeeinschaltungen und Corona-Sonderförderung besonders üppig bedachten Medien Kronen Zeitung, Österreich und Heute müssen sich seit Langem den Vorwurf gefallen lassen, sich mit Hofberichterstattung bei den Mächtigen dafür zu bedanken.
Heute blitzte mit Klage gegen Vorwurf der Hofberichterstattung ab
Im Fall von Heute wurde dieser Vorwurf sogar durch ein Gericht bestätigt. Die Herausgeber und ein Redakteur blitzten mit einer Klage gegen unzensuriert wegen entsprechender Einschätzungen in Zusammenhang mit der Berichterstattung über regierungskritische Demonstrationen gegen die schwarz-grüne Corona-Politik fulminant ab.
Kronen Zeitung gibt Nehammer Bühne gegen Kickl
Und jetzt liefert die Kronen Zeitung ein erneutes Musterbeispiel für Hof- und Kriechjournalismus. Ohne eine einzige kritische Frage gibt Redakteur Klaus Loibnegger dem umstrittenen ÖVP-Innenminister Karl Nehammer die Möglichkeit, sich in einem Interview kurz vor dem ersten Jahrestag des Terroranschlags in der Wiener Innenstadt in Szene zu setzen.
Kein Wort vom jahrelangen schwarzen BVT-Versagen
Schon der Titel suggeriert dabei, dass Nehammer – mit voller Unterstützung der Krone – die Schuld für das unglaubliche Behördenversagen im Vorfeld des Anschlags (das vom Redakteur erst gar nicht direkt angesprochen wird) seinem freiheitlichen Vorgänger zuschieben darf: „Ja, nach Kickl war viel zu tun“, resümiert Nehammer. Dass der Verfassungsschutz (BVT) offenbar versagt hat, liege daran, dass er „zu diesem Zeitpunkt mitten im Reformprozess“ gewesen sei. Dieser wiederum sei nicht etwa wegen des seit der Gründung des BVT zu beobachtenden Missbrauchs als ÖVP-Geheimdienst nötig gewesen, sondern weil „Ex-Innenminister Kickl das BVT bis auf die Grundfesten zerstört hat“.
Fragen wie Appelle zur Selbstinszenierung
Redakteur Loibnegger glänzt in dem Interview mit folgenden, als Fragen verkleideten Aufforderungen zur Selbstinszenierung:
Wo haben Sie von den Ereignissen erfahren?
Wie haben Sie den Einsatz mitverfolgt?
Was geht einem Innenminister bei so einem Ereignis durch den Kopf? Verspürt man Druck?
Welche Lehren haben Sie aus dem Krisenmanagement gezogen?
Was hat sich sicherheitspolitisch geändert? Und hätte dies schon früher passieren müssen?
Möchten Sie den Opfern bzw. den Hinterbliebenen etwas mitteilen?
Schon am nächsten Tag vier Regierungsinserate
Alles in allem ein Interview, das sich liest wie ein bezahltes Inserat. In der Print-Ausgabe der Kronen Zeitung vom 30. Oktober findet es sich übrigens auf Seite 18. Die Regierungsinserate, die sicherlich schon vor dem Nehammer-Interview gebucht waren, dürfen die Krone-Leser in der heutigen Ausgabe vom 31. Oktober bewundern:
- Auf Seite 11 prangt ein ganzseitiges Inserat des Bundesministeriums für Klimaschutz unter der Leitung von Leonore Gewessler (Grüne) mit dem Appell, „Leichen“ (gemeint sind Kohle-, Gas- oder Ölheizungen) aus dem Keller zu holen.
- Das von Margarete Schramböck (ÖVP) geleitete Wirtschaftsministerium wirbt auf Seite 29 ganzseitig für die digitale Zustellung von behördlichen Dokumenten.
- Das unter der Verantwortung von Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) stehende Arbeitsmarktservice hat die halbe Seite 33 für eine „AMS Business Tour“ geschaltet.
- Karl Nehammers (ÖVP) Innenministerium zeigt sich auf Seite 35 mit einer Viertelseite Werbung für den Polizeiberuf erkenntlich.