ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz ist nach den Untreue- und Bestechlichkeitsvorwürfen (es gilt die Unschuldsvermutung) handlungsunfähig geworden. Das ist den meisten Österreichern bewusst. Außer vielleicht ÖVP-Funktionären und dem Krone-Kolumnisten Michael Jeannée, der eine Art Nibelungentreue zu Sebastian Kurz zu haben scheint.
“Sebastian ist einsam”
Allen Ernstes schreibt er in der Glosse „Post von Jeannée“ am Tag zwei der Regierungskrise:
Sebastian ist einsam. Jung, dynamisch, begabt, mutig, intelligent, ehrgeizig, gut aussehend, bei der richtigen Partei und alternativlos – aber mutterseelenallein.
Die Roten, die Blauen, die Grünen und die Pinken seien ja so böse, sie alle wären ja schon seit Beginn seiner Karriere gegen ihn (Kurz) gewesen. Unschuldsvermutung? Lächerlich. Das gelte zwar für Kinderschänder, aber nicht für den Kanzler. Von schiefer Optik kein Wort. Von der Suppe, die er sich selbst eingebrockt hat, kein Wort. Von seinem mutmaßlich hinterhältigen Absägen seines Vorgängers kein Wort.
Geldflüsse gegen geschönte Umfragen
Jeannée, möglicherweise noch im „Home Office“ und von der Außenwelt abgeschnitten, hat offensichtlich nichts davon mitbekommen, wie Österreich nach den Hausdurchsuchungen im Büro von Kurz und Finanzminister Gernot Blümel (beide ÖVP) unter Schock steht. Nochmals für den Krone-Postler: Es geht um den Verdacht von Geldflüssen gegen geschönte Umfragen und dem Verdacht der Bestechlichkeit von Medien. Und dem Missbrauch von Steuergeldern in Millionenhöhe.
Medien sollten umfassend informieren
Jeannée sollte vielleicht, obwohl es ihm an journalistischer Erfahrung nicht mangeln dürfte, bei der Innenpolitik-Journalistin Gudula Walterskirchen ein Seminar belegen. Sie brachte die Problematik gestern, Donnerstag, in der Servus-TV-Sendung „Talk im Hangar-7“ auf den Punkt: Wir hätten nicht nur eine Regierungskrise, sondern auch eine Demokratiekrise. Die Aufgabe der Medien sei nicht, Politikern hilfreich zur Seite zu stehen, sondern umfassend zu informieren. Und zwar deshalb, damit sich der Bürger über den Sachverhalt selbst ein Bild machen könne. Außerdem vermisse sie die notwendige Distanz zwischen Journalisten und Politikern. Diese Freundschaften würden eine objektive Berichterstattung erschweren.
Beim Meinungsjournalismus Michael Jeannée haben diese Prinzipien aber offensichtlich keinen Platz.