Die mutmaßliche Falschaussage von ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz vor dem „Ibiza“-Untersuchungsausschuss dürfte diesen doch mehr zu schaffen machen, als er gegenüber der Öffentlichkeit bis dato zugab. Nach voneinander unabhängigen Medienberichten gingen bei der Einvernahme durch einen Richter die Wogen hoch.
Welche Rolle spielte Kurz bei ÖBAG?
Wie berichtet, ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) nach einer Anzeige gegen Kurz wegen des Verdachts, den U-Ausschuss in mehreren Punkten falsch informiert zu haben. Im Kern geht es dabei um die Frage, wie intensiv er in der ÖVP-FPÖ-Koalition in die Reform der Staatsholding Österreichische Beteiligungs AG (ÖBAG) involviert war. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Bei seiner Befragung im Ausschuss hatte der Bundeskanzler seine Rolle bei der Auswahl des Aufsichtsrats sowie bei der Bestellung des umstrittenen Ex-ÖBAG-Chefs Thomas Schmid heruntergespielt und sinngemäß von normalen Vorgängen gesprochen. Später aufgetauchte Chatprotokolle legten allerdings eine Abstimmung zwischen Schmid und Kurz nahe.
Kurz durfte sich aussuchen, von wem er befragt wird
Die Einvernahme hätte eigentlich durch die WKStA durchgeführt werden sollen, doch auf Wunsch von Kurz-Anwalt Werner Suppen und Genehmigung der grünen Justizministerin Alma Zadic führte diese dann Richter Stephan Faulhammer durch. Diese Befragung erfolgte bereits am 3. September, sie ist aber erst später publik geworden. Jetzt soll laut verschiedenen Medien wie Kronen Zeitung, Presse, oe24, dem Kurier oder ORF das Protokoll vorliegen. Die Presse schreibt zum Beispiel:
Das 151-seitige Protokoll von Wortklauberei, Interpretations- und Erklärungsversuchen, Respektlosigkeiten gegenüber Staatsanwaltschaft und Gericht – und Entschuldigungen dafür seitens des Kanzlers.
“Ich bin kein Vollidiot”
Die Kronen Zeitung zitiert aus dem Protokoll unter anderem diese Aussage:
Ich weiß nicht, wie Sie mich einschätzen, aber ich bin kein Vollidiot. Wenn ich weiß, dass Sie all diese SMS haben, dann wäre es ja nahezu absurd, absichtlich etwas davon Abweichendes zu sagen.
Wortgefecht mit Oberstaatsanwalt
An anderer Stelle hieß es laut Krone, „ich bin ja die ÖVP“. Am Ende der Befragung soll Kurz-Anwalt Werner Suppan erklärt haben, dass der Kanzler keine Fragen des anwesenden Staatsanwalts beantworten werde. Es folgte laut Kurier ein Wortgefecht mit Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic. „Sie drehen mir schon wieder jedes Wort im Mund um, das ist ja unglaublich. Ich würde jetzt wirklich einen Punkt machen. Das funktioniert nicht so gut zwischen uns“, habe Kurz gemeint.
“…was wäre ich für ein Würschtel…”
Laut Kurier schob Kurz bei seiner Einvernahme die Verantwortung für die Auswahl der ÖBAG-Aufsichtsräte Hartwig Löger zu. Dass er, Kurz, dabei keine Rolle spielte, argumentierte er laut Kurier so:
Was wäre ich für ein Würschtel als Bundeskanzler, wenn ich den Sigi Wolf will, und der wird es nicht.
Dass Kurz seinen ehemaligen Vertrauten Thomas Schmid quasi als „Hochstapler“ bezeichnete, war auch nicht von schlechten Eltern. Laut Kurier meinte Kurz über Schmid:
Schmid war sehr dahinter, die Rolle, die er angestrebt hat, möglichst groß, machtvoll und breit ausgestaltet auszuformen.
„Du kriegst eh alles was Du willst“
Kurz räumte ein, dass man ein SMS von ihm an Schmid („Du kriegst eh alles was Du willst“) falsch verstehen könnte. Doch er habe Schmid mit dieser Aussage auf die Schaufel nehmen wollen. Dass Schmid sich in Chats mit einer seiner Mitarbeiterinnen damit brüstete, die Unterstützung des Kanzlers zu haben, kommentierte der Kanzler vor dem Richter laut Kurier „fast grantig“:
Hochstapeln, flunkern, Dinge ein bisschen anders darstellen, sagen, ich tue es im Auftrag von oder mit Unterstützung durch.
Kurz betonte mehrmals, keine Falschaussage gemacht zu haben. Er sei nicht schuldig. Vielmehr habe man versucht, ihn im „Ibiza“-U-Ausschuss „hineinzutheatern, und Fragen so formuliert, dass er irgendwo durcheinanderkommt“.