Am größten Platz der steirischen Landeshauptstadt, dem Jakominiplatz, herrscht wieder reges Treiben. Die “neue Normalität” ist also verinnerlicht.

4. Juli 2021 / 19:00 Uhr

Graz im zweiten Corona-Sommer: Die „neue Normalität“ ist eingekehrt, die „alte“ aber nicht vergessen

Drei Jugendliche stehen mit verschwitzten Gesichtern und FFP2-Masken in der überfüllten Straßenbahn Richtung Jakominiplatz. Ihr Ziel ist ein Teich am Stadtrand, an dem sie Abkühlung von der drückenden Julisonne suchen. Es ist der letzte Samstag vor Beginn der Sommerferien. Monate des Lockdowns liegen hinter den 291.000 Einwohnern der steirischen Landeshauptstadt Graz.

„Des bring ma nimma weg, des wird uns bleiben“ – Cafégeschichten am „Jako“  

Am „Jako“, wie die Grazer den größten Platz ihrer Stadt liebevoll nennen, steigen die drei Jugendlichen um und verschwinden in der Menge. Es herrscht geschäftiges Treiben. Straßenbahnen aus allen Himmelsrichtungen fahren unter lautem Poltern in die Stationen der Grazer Verkehrsdrehscheibe ein und aus. Menschen schleppen prall gefüllte Einkaufstaschen umher. In den umliegenden Cafés sitzen andere beisammen, suchen Abkühlung bei einem Spritzer oder einem Krügerl Bier. Abstand oder Masken sind kaum zu sehen. Nur ein offenbar Homosexueller in schwarzem Minirock verhüllt Nase und Mund mit einem Stoffteil in Regenbogenfarben.

Gehorsam bei Testpflicht

„Haben´s einen Test oder Impfpass mit?“, fragt der Kellner eine ältere Dame, die gerade an einem Tisch im gut gefüllten Gastgarten eines zentral gelegenen Cafés Platz genommen hat. Wie selbstverständlich zückt sie das gelbe Ölpapier aus ihrer Tasche. Der Kellner quittiert dies mit einem schlichten „Danke“ – der Unterton entschuldigend –, bevor er ihr die Registrierungsliste zur Kontaktverfolgung überreicht.

Zwei Tische weiter sitzen vier Herren um die 60 und unterhalten sich angeregt. Es geht darum, ob die Delta-Variante des Coronavirus im Sommer die Inzidenzen wieder steigen lassen wird und wie lange wohl noch die “3 Gs” in der Gastronomie gelten werden. „Des bring ma nimma weg, des wird uns bleiben“, prognostiziert einer der vier in breitem steirischem Dialekt und rückt seinen Panamahut zurecht. „Najo, was solln´s denn machen. So schlimm ist des auch wieder ned“, entgegnet ihm sein Gegenüber an seinem Glas nippend. Derweil zieht eine Gruppe junger Erwachsener mit Bierflasche in der Hand in Richtung Innenstadt. Es scheint wieder weitgehend Normalität in den Alltag der Grazer eingekehrt zu sein. Weitgehend.

Nicht alle Lokale haben den Lockdown überlebt

Zwischen den vollen Gastgärten der Cafés am „Jako“ fallen einige heruntergelassene Rollläden auf. Im Gegensatz zu den Lokalen links und rechts von ihnen haben sie die Monate des Lockdowns wohl nicht überlebt. Dort, von wo aus noch vor einem Jahr Cappuccino, Espresso und Eiskaffee von den Kellnern gereicht wurde, stehen heute leere Bierflaschen. Letzte Relikte des Partyvolks der vergangenen Nacht. Die vorbeigehenden Bürger nehmen davon kaum Notiz. Sie haben sich damit bereits abgefunden.

An einem Rollladen hängt eine vergilbte Speise- und Getränkekarte, die in mehreren Sprachen einst Kundschaft anlockte. Sie ruft in Erinnerung, dass Graz auch eine Tourismusstadt ist.

Rekordjahr 2019

Mit 1,25 Millionen Nächtigungen verzeichnete die steirische Landeshauptstadt 2019 ein Rekordjahr. Im Corona-Jahr 2020 sackten die Übernachtungen auf 582.000 ab. Für heuer erwartet sich die Stadt wieder eine Steigerung.

Doch sind am Jakominiplatz kaum Touristengruppen zu erkennen, keine niederländischen, französischen, italienischen oder englischen Wörter gelangen ans Ohr und verbreiten Urlaubsstimmung. Nur vereinzelt fahren Autos mit Kennzeichen aus anderen Bundesländern über den Platz. Touristen? Geschäftsreisende? Wohl beides.

Die „neue Normalität“ hat in Graz die „alte“ abgelöst und die Menschen nehmen sie scheinbar großteils an. Dennoch merkt und hört man: Vergessen ist sie nicht, die Lebensweise, wie wir sie bis in den Februar 2020 kannten.

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