ÖVP-Innenminister Karl Nehammer hat den „Sturm auf das Parlament“ herbeiphantasiert. Das geht nun aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung hervor.
Vergleich mit Sturm auf Kapitol
Die abenteuerliche Nehammer-Geschichte der „Erstürmung des Parlaments“ wurde von ihm selbst bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Wiener Landespolizeipräsidenten Gerhard Pürstl am Abend des 31. Jänner in die Welt gesetzt. Nehammer wollte damit wohl die friedliche Demonstration gegen die übertriebenen Corona-Maßnahmen der Regierung in ein schlechtes Licht rücken. Wörtlich sagte er in einer fast martialischen Ausdrucksform:
Es gab sogar den Versuch, die Parlamentsrampe zu stürmen und zu besetzen, des alten Parlaments. Es erinnert frappant eigentlich daran, dass man solche Bilder in Erinnerung hat von den Vereinigten Staaten von Amerika, als das Kapitol gestürmt worden ist.
Nehammer reichte es also nicht, einen „Parlamentssturm“ zu erfinden, sondern er bemühte sich, einen unzulässigen Vergleich mit dem gewaltsamen Angriff auf den Kongress der Vereinigten Staaten am 6. Jänner in Washington, bei dem es vier Tote gab, zu ziehen.
Amt für Stimmungsmacherei missbraucht
Diese tatsachenwidrige Behauptung von Nehammer ist eines Innenministers unwürdig, missbrauchte er sein Amt doch für gezielte Stimmungsmacherei. Bis dato blieb Nehammer jeden Beweis für seine dramatischen Aussagen schuldig. Auch in der parlamentarischen Beantwortung einer Anfrage des FPÖ-Sicherheitssprechers Hannes Amesbauer klang alles sehr vage. Laut Nehammer hätten mehrere Beamte zwar etwas vernommen, belegbar sei dies jedoch nicht.
In einer Aussendung bezeichnet FPÖ-Nationalratsabgeordneter Amesbauer den ÖVP-Innenminister daher als „Showmaster“, der für die innere Sicherheit der Republik in Wahrheit eine Zumutung wäre. Weiters meint er:
Ich finde es verwerflich, dass Nehammer hier in seiner Funktion offensichtlich aus rein parteipolitischer Motivation heraus ein Szenario erfindet, um ein bestimmtes Stimmungsbild zu erzeugen, das letztendlich so nie existiert hat.
Funkprotokolle gelangten zur Kronen Zeitung
Aufklärungsbedürftig bleibt, wie Protokoll-Auszüge von der Polizei zur Kronen Zeitung gelangen konnten, die zwei Tage nach der Demonstration in Wien unter anderem diese Korrespondenz veröffentlichte:
Mehrfach in der Menge mitgehört, dass das Ziel ist: Rampe des Parlaments. Demozug wird dort aufschlagen.
Wir haben eine Lücke beim Parlament … Auftrag: Bitte Demo begleiten. Gibt es noch Kräfte, die mir die Demo beim Parlament servicieren? Antwort: Negativ. Können Sie Kräfte zur 2er-Linie verlegen? Der Demozug wird dort aufschlagen. Antwort: Ja. Es verteilt sich beim Parlament in mehrere Richtungen. Wir begleiten so gut es geht.
Nehammer versteckt sich hinter Datenschutz
In der Anfragebeantwortung konnte Nehammer keine Angabe dazu machen, wie die Krone zu diesen angeblichen Funksprüchen der Beamten kam. Dazu bemerkt Amesbauer:
Es ist schockierend, dass anscheinend kein Mensch weiß, wie diese Protokollfetzen an die Kronen Zeitung gelangen konnten. Es scheint den Minister auch nicht sonderlich zu interessieren. Vermutlich weil es ihm ganz recht war, dass seine haltlose Behauptung damit mehr als unseriös gestützt werden sollte. Bezeichnend ist, dass gegen eine vollständige Veröffentlichung jetzt laut Innenminister datenschutzrechtliche Gründe, Amtsverschwiegenheit und einsatztaktische Überlegungen sprechen. Der Öffentlichkeit darf offensichtlich nur das mitgeteilt werden, was in seine Erzählung passt.